Eine beginnende Herzschwäche zeigt sich oft in Kurzatmigkeit bei körperlicher Aktivität.
Immer mehr Menschen leiden unter Leistungseinschränkungen des Herzens. Moderne Therapien geben Hoffnung, die Rolle der Psyche im Krankheitsverlauf wird nach wie vor unterschätzt.
"Angefangen hat alles mit einer Bronchitis", erinnert sich Stefan S. an den November des vergangenen Jahres. "Weil es nicht besser wurde, bin ich zum Arzt gegangen, leider auch weiterhin arbeiten", erzählt der 40-jährige Burgenländer.
Nach rund einer Woche verspürte er beim Husten plötzlich ein Druckgefühl in der Brust. "Mir wurde kurz schwarz vor Augen. Ich bin noch schnell in die Arbeit gefahren, um Bescheid zu geben, dass ich es heute nicht schaffe – dann direkt ins Spital."
Nach umfangreichen Tests wurde Stefan S. mit diversen Befundblättern aus der Klinik entlassen. "Mit dem Hinweis, die Sache bei einem Internisten abklären zu lassen." Mit Glück konnte er eine Woche später bei einem Kassenarzt in Eisenstadt einen Termin ergattern. "Nach einem Ultraschall wurde ich wieder ins Spital geschickt." Dort hielt man schließlich eine Diagnose fest: Herzschwäche. "Dazu noch eine leicht undichte Herzklappe und eine Herzmuskelentzündung obendrauf, wohl durch den übergangenen Infekt", beschreibt er.
Immer mehr Herzschwäche-Betroffene
Bei der Herzinsuffizienz, wie die Herzschwäche fachsprachlich genannt wird, ist das Herz in der Regel nicht mehr in der Lage, den Körper und damit wichtige Organe ausreichend mit Blut und Sauerstoff zu versorgen. Weltweit sind über 60 Millionen Menschen davon betroffen, in Österreich bis zu 250.000 – Tendenz steigend.
"Die Herzinsuffizienz ist die Endstrecke vielen kardialer Erkrankungen, einer koronaren Herzerkrankung, eines Herzklappenfehler oder von Herzrhythmusstörungen zum Beispiel", weiß Noemi Pavo, stellvertretende Leiterin der Herzinsuffizienz-Ambulanz des AKH Wien. Die steigende Tendenz bei den Erkrankungszahlen sei multifaktoriell bedingt. "Die Zunahme von Risikofaktoren, etwa steigende Raten an Übergewicht, Diabetes oder Bluthochdruck, aber auch der demografische Wandel mit einer alternden Bevölkerung führt zu einer höheren Wahrscheinlichkeit, dass Menschen eine Herzinsuffizienz entwickeln", sagt Pavo, die von einer hohen Dunkelziffer ausgeht.
Durch Fortschritte in der Versorgung überleben heute glücklicherweise immer mehr Menschen akute Herzerkrankungen. "Sie können später potenziell eine Herzinsuffizienz entwickeln", sagt Pavo, auch Mitglied der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG). Auch verstärktes Krankheitsbewusstsein und bessere Diagnose- bzw. Früherkennungsstrategien tragen zu einer Zunahme der Diagnoseraten bei.
Neben Herzerkrankungen kann eine Herzschwäche unter anderem als Folge einer chronischen Überbelastung des Herzens, von Entzündungen, Suchtmittelgebrauch oder von Autoimmunerkrankungen auftreten. Viele Patientinnen und Patienten sind laut Pavo zudem familiär vorbelastet.
Symptome
Eine Herzinsuffizienz äußert sich durch verschiedene Anzeichen und Beschwerden, die davon abhängen, wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist. Allgemeinsymptome sind Leistungsabfall, vor allem kann Kurzatmigkeit bei körperlicher Aktivität auftreten. Die Ausprägung dieser Kurzatmigkeit, ob sie bei starker Anstrengung, bei leichter Anstrengung oder in Ruhe auftritt, wird zum Abschätzen des Schweregrades herangezogen. Die Atemnot kann in schweren Fällen sogar im Liegen und im Schlaf auftreten.
Weitere mögliche Beschwerden sind unregelmäßiger Puls, nächtlicher Harndrang, Müdigkeit und Schwäche, aber auch Appetitlosigkeit. Eine Gewichtszunahme durch Wassereinlagerung kann ebenso auftreten, dabei kann es zu geschwollenen Beinen, gestauten Halsvenen oder Husten und Rasselgeräusche der Lunge kommen. Diese Symptome sollten immer abgeklärt werden, ausgeprägte Atemnot oder Wassereinlagerung können ein Notfall sein.
Lebensstil
Ein gesunder Lebensstil ist wichtig zur Verbesserung der Prognose und Lebensqualität von Betroffenen. Eine ausgewogene Ernährung kann helfen, Mangelernährung zu verhindern und das Körpergewicht im gesunden Bereich zu erhalten. Für strikte Empfehlungen bezüglich Salz- und Flüssigkeitseinfuhr gibt es entgegen der landläufigen Meinung keine eindeutige wissenschaftliche Grundlage.
Im Gegensatz dazu gibt es Belege, dass körperliches Training die Belastungstoleranz und die gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Herzinsuffizienz-Betroffenen verbessert. Bewegung wird demnach für alle Patientinnen und Patienten eindeutig empfohlen, die ein Training absolvieren können.
Etablierte bis innovative Behandlungsmöglichkeiten
So auch Stefan S., der aufgrund einer diagnostizierten Herzschwäche bei seiner Mutter "bereits damit gerechnet" hatte. Die Diagnose war für ihn dennoch ein Schock. Zu den emotionalen Strapazen gesellen sich inzwischen finanzielle Sorgen: "Ich bin im Krankenstand, mein Arbeitgeber ist sehr verständnisvoll, aber es ist offen, ob ich jemals wieder Autofahren darf", umreißt der Berufskraftfahrer aus Trausdorf an der Wulka seine Situation. Für den Moment wurde ihm von den Ärzten striktes Autoverbot auferlegt. Auch Radfahren ist tabu. Zu hoch ist das Unfall- und Verletzungsrisiko.
Aus der Klinik entlassen wurde Stefan S. Anfang Dezember mit einer sogenannten Life Vest, einer Defibrillatorweste, "die mein Herz überwacht und automatisch einen elektrischen Schock abgibt, wenn etwas nicht stimmt. Sollte bis März keine Besserung eingetreten sein, bekomme ich im April einen Defibrillator operativ eingesetzt."
Therapiert wird eine Herzschwäche in erster Linie medikamentös. Neuere Substanzen zielen nicht nur auf die Behandlung der Herzinsuffizienz ab, sondern sollen gleichzeitig auch Begleiterkrankungen lindern. Auch das Implantieren von Herzschrittmachern oder Defibrillatorsystemen sowie das operative Ersetzen defekter Herzklappen kann laut Pavo zielführen sein.
Über eine neue Hoffnung für Betroffene wurde kürzlich medial groß berichtet: ein "Herzpflaster" aus Stammzellen. Das Implantat steigerte in Studien an rund 20 Menschen die Pumpleistung des Herzens. "Insgesamt sind die Beobachtungen sehr spannend", betont Pavo, die die Forschungen zu besagter Therapie bereits seit Jahren verfolgt. Durchschlagende Erfolge seien bisher ausgeblieben. Offen seien Fragen rund um potenzielle Nebenwirkungen wie unerwünschte Immunreaktionen oder Tumorbildungen. "Attraktiv daran ist, dass es die Möglichkeit bieten könnte, beschädigtes Herzmuskelgewebe zu ersetzen, während andere Therapien lediglich das beschädigte System stabilisieren." Bis zum breiten Einsatz sei es noch ein langer Weg.
Forschenden der MedUni Innsbruck gelang es kürzlich zudem, geschädigte Herzmuskelzellen mit Stoßwellentherapie wieder aufzuwecken und damit die Pumpleistung des Herzens nachhaltig zu verbessern. Für Pavo ebenfalls vielversprechende Erkenntnisse, die nach weiterer Prüfung Eingang in die klinische Routine finden könnten.
Auch Stefan S. hat die jüngsten Meldungen zum Forschungsfortschritt verfolgt: "Das dauert wohl noch ein paar Jährchen, bis das routinemäßig zu uns Patienten kommt." Er versuche unterdessen, "so gut wie möglich weiterzuleben". Er erlebe sich "aber als eingeschränkt, weil ich nur gemütliche Spaziergänge machen und nichts Schweres heben darf – sobald ich mich zu sehr anstrenge, kommt der Druck in der Brust", erzählt der handwerklich interessierte Burgenländer. "Ich bin keiner, der gerne herumsitzt. Die Umstellung war krass."
Immer wieder fordern Fachleute, mehr Fokus auf seelische Leiden als Folge und Verstärker der Herzschwäche zu legen. Psychosoziale Risikofaktoren würden häufig nicht ausreichend bei der Behandlung berücksichtigt. "Der Zusammenhang zwischen Herzinsuffizienz und psychischen Belastungen wird in der klinischen Praxis oft unterschätzt, obwohl zahlreiche Studien zeigen, dass seelische Faktoren mit dem Fortschreiten der Erkrankung zusammenhängen", bestätigt Pavo. In vielen Kliniken gebe es keine standardisierte psychische Betreuung für Herzpatienten. "Es gibt hier noch erheblichen Verbesserungsbedarf."
Aufgefangen wird Stefan S. von seinem Umfeld. "Allen voran meine Töchter, meine Partnerin, meine Eltern und die Nachbarn helfen, wo sie können. Mein Umfeld ist ein Lottosechser." Manchmal denkt er daran, was passiert wäre, wenn er nicht rasch medizinische Hilfe bekommen hätte: "Wenn ich länger gewartet hätte, wäre ich vielleicht nicht mehr am Leben." Einer möglichen OP blickt er hoffnungsvoll entgegen: "Ich hoffe natürlich, dass ich danach wieder so gut wie möglich alles machen kann – so wie früher wird es nie mehr werden."
Austauschmöglichkeiten findet er in der Selbsthilfegruppe des Österreichischen Herzverbandes. Ein älterer Herr in der Runde habe ihm besonders imponiert: "Der ist 80 und lebt schon mehrere Jahre mit einem Defi und hat auch andere Herz-OPs hinter sich. Er nimmt es gelassen und darf immer noch Autofahren, trotz seiner Geschichte. Das macht mir Mut, dass ich mit meinen 40 auch mal wieder fahren darf."
Dass er aus Liebe zum Job jahrelang teils über seine Grenzen gegangen ist, sieht er rückblickend kritisch: "Ich bin einer gewesen, der auch mit Schnupfen und Husten arbeiten gegangen ist – das war nicht ideal."
"Egal, was kommt, ich bleibe positiv", sagt Stefan S., der mit zwei Scheidungen schon jetzt auf ein bewegtes Leben zurückblickt. Ein Leben, das ihn auch Besonnenheit gelehrt hat: "Ich nehme alles, wie es kommt, man kann es eh nicht ändern."
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