40 Jahre Herztransplantation in Wien: "Für mich hat ein neues Leben begonnen"
"Ich kann bis heute radfahren, wandern und im Garten arbeiten. Ich bin auch sehr viel durch ganz Europa gereist. Ich würde sagen, ich führe ein völlig normales Leben", erzählt Walter Weiss. Der 79-jährige Wiener ist der am längsten lebende Patienten mit Spenderherz in Österreich. Dieses wurde ihm vor 39 Jahren transplantiert, nachdem er infolge einer Herzmuskelentzündung einen Herzstillstand erlitten hatte und reanimiert werden musste. Nach einem Jahr Krankenstand ging der gelernte Maschinenschlosser in Frühpension. Erst später erkannte man, dass auch nach einer Herztransplantation eine Berufstätigkeit möglich ist. Weiss war der erst fünfte Patient, bei dem die damals neue Operationsmethode 1985 eingesetzt wurde.
Erst kurz davor, am 11. Oktober 1983, war es einem Team rund um die Chirurgen Raimund Margreiter und Franz Gschnitzer erstmals gelungen, ein Spenderherz in Österreich zu transplantieren. Die erste Herztransplantation in Wien fand dann am 5. März 1984 unter den Chirurgen Axel Laczkovics, Ernst Wolner und Hermann Kassal statt. "Heute ist Wien weltweit eines der größten Zentren für Herztransplantationen mit rund 50 Transplantationen pro Jahr – die letzte in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch", sagte Daniel Zimpfer, Leiter der Uniklinik für Herzchirurgie von MedUni Wien und AKH Wien bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.
Abstoßung ist heute kaum mehr ein Problem
Das Wiener Zentrum deckt geografisch Wien, Niederösterreich, das nördliche Burgenland sowie weite Teile Oberösterreichs und Kärntens ab. Auch alle Kleinkinder, die ein Spenderherz benötigen, werden in Wien versorgt. "Das Spektrum der Patienten umfasst das ganze Lebensalter. Das jüngste Kind war bei der Operation 14 Tage alt, die Obergrenze liegt bei 70 Jahren – abhängig vom Gesamtzustand des Patienten", so Zimpfer. Die in den ersten Jahren gefürchtete Abstoßungsreaktion des Herzens ist heute kein Problem. "In den 80er-Jahren hatte etwa jeder zweite Patient eine Abstoßung. Heute kommt es nur bei etwa zehn Prozent der Patienten im Lauf des Lebens dazu. Sie ist aber gut behandelbar. Die Auswahl an Medikamenten hat sich stark weiterentwickelt", betonte Andreas Zuckermann, Programmdirektor Herztransplantation an der Uniklinik für Herzchirurgie von MedUni Wien und AKH Wien. Ein Meilenstein war die Entwicklung von Ciclosporin, ein Arzneistoff aus der Gruppe der Immunsuppressiva – das sind jene Medikamente, die normale Funktionen des Immunsystems unterdrücken und damit die Abstoßung unwahrscheinlicher machen.
Auch hinsichtlich des Transports der Spenderherzen hat sich einiges getan, erzählt Zuckermann. "Anfänglich wurden die Herzen in einfachen Kühlboxen auf Eis und in spezieller Flüssigkeit transportiert. Heute gibt es eigene Geräte, in denen die Temperatur konstant kühl gehalten wird. Ein Spenderherz hält maximal vier Stunden außerhalb des Körpers."
Heute ist eine längere Konservierung möglich
Anfangs wurde das Organ vom Blutkreislauf abgekoppelt, im Jahr 2007 kam in Wien erstmals das sogenannte Organ Care System zum Einsatz. Dabei sorgt eine maschinelle Durchspülung mit einer blutähnlichen Lösung bei Körpertemperatur dafür, dass das Spenderorgan länger konserviert und weniger geschädigt wird. "Wir forschen laufend an Systemen, mit deren Hilfe Spenderherzen im bestmöglichen Zustand an ihre Empfänger gelangen", sagte Zuckermann. Bei den neuesten Entwicklungen, den ex-vivo-Präservationssystemen, wird das Herz während des Transports weiter am Schlagen gehalten.
Der Bedarf an Spenderherzen ist jedenfalls größer als die verfügbaren Organe. Neben der Chirurgie kommt daher auch der Forschung an künstlichen Herzen oder an Xenotransplantation, dem Verpflanzen tierischer Organe in Menschen, etwa von Schweineherzen, große Bedeutung zu. Zimpfer: "Derzeit funktioniert die Transplantation von Tier auf Mensch noch nicht gut, weshalb parallel an Kunstherzen geforscht wird. In den nächsten 10 Jahren wird es wahrscheinlich Kunstherzsysteme geben, die komplett implantiert werden." Zukünftig wichtiger werde die personalisierte Medizin, betonte Edda Tschernko, Leiterin der Klinischen Abteilung für Herz-Thorax-Gefäßchirurgische Anästhesie und Intensivmedizin. Immunsuppressiva könnten etwa individuell besser eingestellt werden, auch mittels Künstlicher Intelligenz.
Eurotransplant
Österreich ist Teil der Service-Organisation Eurotransplant, die in acht europäischen Ländern für die Zuteilung von Spenderorganen zuständig ist. Mitglieder sind zudem Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, die Niederlande, Slowenien und Ungarn. Derzeit stehen rund 14.000 Patienten auf der Warteliste.
Organvergabe
Die Zuteilung erfolgt nach definierten Kriterien, etwa dem erwarteten Erfolg und die durch Experten festgelegte Dringlichkeit. Gesucht wird ein "Perfect Match" von Spender und Empfänger.
Opt-out
In Österreich gilt die Widerspruchslösung (Opt-out): Eine Organentnahme ist bei einem hirntoten Verstorbenen dann zulässig, wenn dieser zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen hat. Diese kann schriftlich oder mündlich erfolgen. Rechtssicherheit bietet der Eintrag ins Widerspruchsregister.
Intensive intensivmedizinische Betreuung vor und nach der Transplantation notwendig
Vor und nach der Herztransplantation braucht es eine umfassende intensivmedizinische, aber auch psychologische Betreuung. Tschernko: "Große Fachkompetenz sowie Einfühlsamkeit und Gesprächsbereitschaft tragen zur Genesung entscheidend bei." Alle Patienten mit Spenderherz müssen lebenslang Medikamente einnehmen und regelmäßig zu Kontrollen kommen. Für Walter Weiss heißt das, sich alle drei Monate untersuchen zu lassen. "Das ist überhaupt kein Problem. Für mich hat mit dem Wunderteam im AKH damals ein neues Leben begonnen", sagt Weiss.
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