Krebstherapie: Ist Österreichs Spitzenplatz in Gefahr?
Auf den ersten Blick schaut alles – noch – gut aus: Österreich ist bei der Versorgung von Krebspatienten in Europa im Spitzenfeld. Zwischen der Zulassung eines neuen Medikaments durch die europäische Behörde und der Verfügbarkeit für Patienten in Österreich vergehen rund drei Monate – „das kann in anderen Ländern zehn Jahre dauern“, sagt Krebsspezialist Univ.-Prof. Christoph Zielinski, Koordinator des Comprehensive Cancer Center der MedUni Wien. Um seinen Spitzenplatz zu behalten, benötige Österreich aber dringend „eine Wissenschafts- und Gesundheitsinitiative“. Zielinski vermisst Konzepte auf diesem Gebiet: „Wir leben in der betulichen Wohligkeit der 70er-Jahre. Aber seither ist international viel passiert.“
Weniger Studien
Es gebe bereits Warnzeichen, sagt dazu Jan Oliver Huber von der Pharmig (Verband der pharmazeutischen Industrie). Zwischen 2007 und 2016 fanden jährlich mehr als 300 klinische Studien zur Prüfung neuer Medikamente in Österreich statt. Im Vorjahr waren es nur noch 234 – so wenige wie noch nie. Ein Grund dafür sei das geänderte Arbeitszeitgesetz (max. 48 Stunden Wochenarbeitszeit im Krankenhaus). „Es braucht ein klares Bekenntnis der Politik, um den Forschungsstandort Österreich nicht ins Abseits gleiten zu lassen.“ Weltweit werden derzeit 830 neue Krebsmedikamente in klinischen Studien getestet, in Entwicklung bei der Pharmaindustrie sind weltweit sogar mehr als 6000 Wirkstoffe.
„De facto null Förderung"
Es hat seinen Grund, wenn Leute wie Josef Penninger Österreich verlassen“, sagt Zielinski. „Wir haben in Österreich international führende Krebsforschungsgruppen, die aber von der öffentlichen Hand de facto null gefördert werden. Ihre Spitzenrolle ist nicht auf den großen politischen Willen, sondern auf die Selbstausbeutung der Kollegen und die Bereitschaft der Pharmaindustrie, diese Studien mitzutragen, zurückzuführen.“
Eine Spectra-Umfrage für die Pharmig ergab, dass für die Patienten das wichtigste Kriterium zur Bewertung der modernen Krebstherapie die Verlängerung der Überlebenszeit ist – gefolgt von der Erhaltung der Lebensqualität (siehe Grafik). „Für die Patienten zählt jeder Tag“, erklärt Gudrun Auinger von Spectra. Ärzte stellen hingegen die Erhaltung der Lebensqualität an die erste Stelle und nennen zumeist diesen Aspekt als wichtigstes Kriterium moderner Behandlungsmethoden.
Nachholbedarf gibt es noch bei der Information: 28 Prozent der Krebspatienten und 44 Prozent der Angehörigen fühlen sich wenig bis schlecht über moderne Krebstherapien und deren Möglichkeiten informiert.
„Dank neuer Therapien und der Forschung haben viele Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, wieder ein halbwegs normales Leben zu führen“, sagt auch die Präsidentin von Europa Donna, Mona Knotek-Roggenbauer: „Ohne diese könnten wir als Patienten nicht hier sitzen und mitdiskutieren.“
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