Warum Kortison bei Entzündungen so gut wirkt - und es kaum Alternativen gibt

Eine Frauenhand hält Tabletten in einer Sichtverpackung hoch.
Ein winziges Molekül spielt für die Wirkweise eine wichtige Rolle, wie aktuelle Forschung zeigt.

Die Zahl an Menschen in unseren Breiten, die noch nie ein Kortison-Präparat erhalten haben, ist vermutlich recht gering. Überall, wo Entzündungen zu Entgleisen drohen, ist Kortison im Einsatz. Sein Wirkmechanismus ist aber noch nicht komplett entschlüsselt, heißt es in einer Aussendung deutscher Forschungsinstitute. Ein Forscherteam mit Wiener Beteiligung hat nun im Fachblatt "Nature" gezeigt, welche Rolle ein winziges Molekül bei der Umprogrammierung von Immunzellen spielt.

Leidet man unter chronischen Entzündungen, wie etwa rheumatischen Erkrankungen, dann wird ebenso auf Kortison-Präparate zurückgegriffen wie bei vielen anderen medizinischen Problemen. Trotzdem ist die Wirkweise der so umfassend eingesetzten Medikamente noch relativ wenig erforscht, schreibt das Team, dem auch Forscherinnen und Forscher vom Institut für Gefäßbiologie und Thromboseforschung und vom Rheumatologie-Institut an der Medizinischen Universität (Meduni) Wien sowie vom CD-Labor für Argininmetabolismus in Rheumatoider Arthritis und Multipler Sklerosis angehörten, in seiner Arbeit.

Zwar lassen sich damit überschießende Reaktionen des Immunsystems gut einhegen. Die künstlich hergestellten Kortison-Präparate lösen aber auch aus, was ein Zuviel des körpereigenen Kortisols - eigentlich ein Stresshormon - bewirkt: Bluthochdruck, Gewichtszunahme, Diabetes oder Osteoporose, heißt es in der Aussendung. Um andere, weniger nebenwirkungsträchtige Alternativen zu suchen, brauche es daher ein tieferes Verständnis der Wirkung von Kortison.

Kortison wirkt auch auf die Kraftwerke der Zellen, die Mitochondrien

Unter der Leitung von Wissenschaftern der Berliner Charité und des Uniklinikums Erlangen untersuchte das Team, was sich in Fresszellen (Makrophagen) von Mäusen in Anwesenheit von Entzündungsreizen und bei der Kortison-Gabe tut. Diese Zellen sind Teil des Immunsystems und können auch zur Etablierung von entzündlichen Erkrankungen beitragen.

Dass Kortison in diversen Körperzellen Gene aktiviert, die körpereigene Ressourcen aktivieren, war bereits zuvor bekannt. Die "starke immundämpfende Wirkung" lasse sich damit aber nicht hinreichend erklären, so Charité-Forscher Gerhard Krönke: "In unserer Studie konnten wir nun zeigen, dass Kortison nicht nur auf die Gene von Immunzellen einwirkt, sondern auch auf ihre Kraftwerke, die Mitochondrien."

Kortison und Kortisol
Kortison  (auch Cortison) ist die Vorstufe des Hormons Kortisol. Das Hormon wird im menschlichen Körper in der Nebenniere produziert. Die Drüse liegt an der Niere und produziert  wichtige Hormone, etwa Adrenalin und Sexualhormone, und hat Funktionen in der Regulation des Immunsystems. Es wird auch bei  Stress vermehrt gebildet, daher nennt man es auch „Stresshormon“. Der Name kommt vom lat. Wort „Cortex“ für Rinde –  das Hormon wird in der äußeren Schicht der Nebenniere gebildet:

Entdeckung
1936 und 1937 entdeckte der US-Biochemiker Edward Calvin Kendall Kortison und Kortisol. Auch der Schweizer Chemiker Tadeus Reichstein arbeitete in dieser Zeit mit einer Arbeitsgruppe  an der Isolierung des Hormons:
  
Behandlung
1948 injizierte der US-Mediziner einer Patientin mit schwerem Rheuma erstmals ein Kortisonpräparat. Innerhalb weniger Tage war die bettlägerige Frau schmerzfrei. Kendall, Reichstein und Hench erhielten 1950 den Nobelpreis für Medizin

Der Wirkstoff macht demnach vor allem eine Änderung im Stoffwechsel der Zellen rückgängig. Diese werden durch die Entzündungsreize nämlich in eine Art Alarm- bzw. Kampfmodus geschalten. In Folge wandeln sie "vereinfacht gesagt ihre Zellkraftwerke zu Waffenfabriken um: Statt Energie zu liefern, produzieren die Kraftwerke Baumaterial für den Kampf gegen Eindringlinge", so Krönke. Kortison hingegen lässt sie wieder in ihren üblichen Modus zurückkehren. Dafür hauptverantwortlich ist den neuen Erkenntnissen der Forscher zufolge "das kleine Molekül Itaconat".

Dämpfende Wirkung eines Moleküls

Damit dämpft die Zelle in der Regel eine Entzündungsreaktion nach einer gewissen Zeit. Durch die Umprogrammierung in den Mitochondrien der Fresszellen durch Kortison kann Itaconat seine deeskalierende Wirkung wieder entfalten - ein Mechanismus, der bei chronischen Entzündungen gestört wird.

Die direkte Gabe von Itaconat bringe die Mediziner aber auf der Suche nach nebenwirkungsärmeren Medikamenten nicht unbedingt weiter, "weil es instabil ist und aufgrund seiner hohen Reaktivität bei systemischer Gabe Nebenwirkungen hervorrufen könnte", so Krönke. Trotz der neuen Erkenntnisse müsse man weiter nach Kortison-Alternativen Ausschau halten - auch weil "die Vorgänge beim Menschen noch etwas komplexer sind als in der Maus". Die Studie kann hier nachgelesen werden. 

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