Können Geimpfte Long Covid bekommen?
Auch Geimpfte können sich mit Covid-19 infizieren, wie bisherige Erhebungen zeigen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist allerdings sehr gering. Zahlen aus einer parlamentarischen Anfrage der NEOS von Anfang August zeigen, dass seit Jänner der Anteil der Covid-Fälle unter Geimpften in Österreich 1,5 Prozent beträgt. Miteinberechnet sind hier Personen, die nur eine Impfung (von zwei; Ausnahme ist der Impfstoff von Johnson & Johnson, bei dem nur eine Dosis erforderlich ist) erhalten haben. Der Anteil Vollimmunisierter beträgt 0,5 Prozent.
In absoluten Zahlen entspricht das laut AGES 2.690 Personen, die sich nach der ersten Dosis ansteckten, und 1.560 Personen, die sich seit Jahresbeginn nach zwei Impfdosen infizierten. Diese Durchbruchsinfektion genannten Fälle sind also sehr selten, kommen aber vor. Die meisten Durchbruchsinfektionen verlaufen mild und ohne Spitalsaufenthalt.
Aber kann es bei Geimpften auch zu Long Covid-Symptomen kommen?
Vier bis zwölf Wochen nach Infektion
Insgesamt leiden etwa zehn bis 20 Prozent aller Covid-Infizierten laut Studien unter Langzeitfolgen. Von Long Covid spricht man, wenn die Symptome vier bis zwölf Wochen nach überstandener Infektion auftreten. Sehr häufig kommt es zu körperlicher und kognitiver Erschöpfung, Problemen bei Konzentration und Merkfähigkeit, Kreislaufproblemen, Gelenksschmerzen, Atemnot und Verdauungsschwierigkeiten. Auch Personen, bei denen die Infektion mild oder symptomlos verlaufen ist, können Long Covid-Symptome entwickeln.
Bisherige Studien untersuchten allerdings überwiegend ungeimpfte Personen hinsichtlich Long Covid. Die Datenlage zu Long Covid bei Geimpften ist noch gering. „Ich glaube nicht, dass es genug Daten gibt“, sagte Zijian Chen, medizinischer Direktor des Center for Post-Covid Care am Mount Sinai Health System in New York der New York Times. „Es ist zu früh, um das zu sagen. Die Zahl der Menschen, die trotz Impfung krank werden, ist derzeit nicht so hoch, und es gibt keinen guten Tracking-Mechanismus für diese Patienten.“
Studie gibt Hinweise
Vorläufige Daten zeigen aber, dass es auch bei Geimpften zu Long Covid Symptomen kommen kann. Eine kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie zeigt das Risiko für Long Covid nach einer Durchbruchsinfektion. Von 1.497 vollständig geimpften Beschäftigten im Gesundheitswesen kam es bei 39 – das sind 2,6 Prozent – zu einer Durchbruchsinfektion. Die meisten dieser Infektionen verliefen mild oder symptomlos. Bei sieben Personen wurden nach sechs Wochen immer noch anhaltende Symptome festgestellt. Diese Long Covid-Symptome umfassten anhaltenden Geruchsverlust, Husten, Müdigkeit, Schwäche, Atemnot oder Muskelschmerzen.
Allerdings warnen die Autoren der Studie davor, zu viele Schlussfolgerungen zu ziehen, da die Zahl der sieben Personen sehr niedrig ist. Studienautorin Gili Regev-Yochai vom Sheba Medical Center in Israel sieht die Studie nicht als Bestätigung dafür, dass Geimpfte Long Covid-Symptome entwickeln können, da das Studiendesign nicht darauf ausgerichtet war, dies zu belegen. Ursprünglich wurden die Antikörperspiegel von Infizierten untersucht. Ob Geimpfte Long Covid bekommen können, beantwortet die israelische Ärztin so: „Ich glaube nicht, dass wir darauf eine Antwort haben.“
Ihre Ergebnisse liefern aber erste Hinweise darauf, dass dies möglich sein kann. Robert M. Wachter, Professor an der medizinischen Fakultät der University of California in San Francisco, sieht die Studie trotz fehlender weiterer Daten als ausreichenden Beleg dafür, dass auch Geimpfte Vorkehrungen treffen sollten. „Die Leute haben zu mir gesagt: ,Sie sind vollständig geimpft. Warum sind Sie so vorsichtig?‘ Nun, ich bin immer noch in der Lage, dass ich Covid nicht bekommen möchte. Ich möchte keine Durchbruchsinfektion bekommen.“
Zu wenig untersucht
Noch werden Impfdurchbrüche zu wenig untersucht bzw. gibt es schlicht zu wenige, um Schlüsse hinsichtlich Long Covid zu ziehen. Die Amerikanerin Diana Berrent, die eine Selbsthilfe-Gruppe für Covid-19-Betroffene auf Facebook gründete, startete eine informelle Umfrage unter den 171.000 Mitgliedern. Es meldeten sich 24 Personen, die angaben, nach einer Durchbruchsinfektion anhaltende Symptome zu haben. Allerdings ist dies keine wissenschaftliche Stichprobe und die Angaben wurden nicht überprüft. Berrent geht aber davon aus, dass es derartige Fälle gibt und diese von den Gesundheitsbehörden stärker erhoben werden müssten. „Wir können nicht wissen, was wir nicht zählen“, sagte Berrent zur New York Times.
Dass die Impfung wichtig ist, zeigt einfache Mathematik: Reduzieren sich die Infektionen aufgrund zahlreicher Geimpfter, sinkt auch die Wahrscheinlichkeit für Long Covid.
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