Kinder jetzt schon ohne Zulassung impfen? Ein Vater berichtet
674 Kinder unter zwölf Jahren sind in Österreich laut den Daten des elektronisches Impfpasses (Stand Donnerstag) zumindest einmal gegen das Coronavirus geimpft worden, 156 der Mädchen und Buben gelten bereits als vollimmunisiert.
In Österreich sind bisher rund 500 Kinder "off label" - also bevor die Zulassungsbehörde den Impfstoff für Kinder freigegeben hat - geimpft worden. Das ist gesetzlich möglich, wenn nach einer Aufklärung die Ärztin und der Arzt die Entscheidung gut begründen können.
Eltern lassen ihre Kinder unter zwölf Jahren bereits jetzt impfen, weil sie das Risiko von Infektion, Long Covid und Langzeitfolgen als deutlich höher ansehen als das Risiko möglicher Impfnebenwirkungen.
Die slowakische Regierung lässt Corona-Impfungen für alle Kinder ab fünf Jahren bereits jetzt zu, der KURIER berichtete. Vor rund einer Woche hieß es aus dem Büro von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein: "Das Österreichische Nationale Impfgremium beobachtet die Lage ganz genau. Sobald es eine entsprechende Entscheidungsgrundlage gibt, wird auch eine Empfehlung ausgesprochen werden."
"In den letzten Tagen gab es auch im Ministerium diesbezüglich einige Anfragen und Diskussionen", hieß es am Donnerstag aus dem Gesundheitsministerium zur APA. Nennenswerte Komplikationen sind laut Behördenangaben bisher durch die Anwendung nicht aufgetreten: Derzeit liegen dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zwei Meldungen von vermuteten Nebenwirkungen nach Impfung von Kindern unter zwölf Jahren vor. "Es handelte sich dabei um Lokalreaktionen (Schmerzen an der Impfstelle bzw. an einer Extremität). In beiden Fällen wurde direkt über den Zulassungsinhaber gemeldet, daher liegen sonst keine weiteren Infos vor", hieß es.
Auf Twitter schilderte der Unternehmer und Blogger Helge Fahrnberger, warum er sich als Vater zur Impfung seiner sechsjährigen Tochter entschied.
Für ihn sei es eine "schwierige Abwägung" gewesen, da die Daten der Kinder-Studie von Biontech/Pfizer noch nicht veröffentlicht wurden. Was man bisher weiß, fasst er in einem Tweet zusammen: "Biontech hat in der Studie 4.500 Kinder geimpft und bekannt gegeben, dass die Ergebnisse gut seien und sie jetzt um EMA-Zulassung ansuchen werden. So wie die heikle Pharma-PR vor Zulassungen funktioniert, vertraue ich den Aussagen. Dabei flunkert man nicht, aus Eigeninteresse."
Hinzu würden mehr als 100.000 geimpfte Kinder weltweit kommen, die off label geimpft wurden. "Nach Gesprächen mit Bekannten aus der Pharmaforschung weiß ich: Bei Kindern sind keine anderen Nebenwirkungen zu erwarten als bei Erwachsenen, offen ist nur die Frage nach Dosis und Impfintervall. Und beides hat Biontech schon bekannt gegeben."
Zulassungsantrag für 5- bis 11-Jährige noch im Oktober
Biontech-Gründerin Özlem Türeci hatte erst vor Kurzem bestätigt, dass das Unternehmen bereits die Produktion der Kinder-Impfstoffe vorbereitet. Bereits im Oktober könnten fünf- bis elfjährige Kinder mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer geimpft werden.
"Wir werden schon in den kommenden Wochen weltweit den Behörden die Ergebnisse aus unserer Studie zu den Fünf- bis Elfjährigen vorlegen und eine Zulassung des Impfstoffes für diese Altersgruppe beantragen, auch hier in Europa", sagte Türeci im Interview mit dem Spiegel.
Gegen Ende des Jahres würden dann auch die Studiendaten zu den jüngsten Kindern ab sechs Monaten vorliegen.
Das Studiendesign: Im März 2021 startete Biontech seine Studie mit Kindern im Alter zwischen 6 Monaten und 12 Jahren, die Studie unterscheidet die Altersgruppen "5 bis unter 12 Jahre", "2 bis unter 5 Jahre" und "6 Monate bis unter 2 Jahre".
In Phase I der Studie wurden drei Dosierungen miteinander verglichen: Als beste Dosierung ging 2 mal 10 Mikrogramm mRNA für "5 bis unter 12 Jahre" sowie 2 mal 3 Mikrogramm für unter 5-Jährige hervor.
Auch mRNA-Konkurrent Moderna hat im März seine Studie gestartet: Hier erhalten Kinder im Alter von 2 bis unter 12 Jahren 50 oder 100 Mikrogramm mRNA, Kinder zwischen 6 Monaten und 2 Jahren 25, 50 oder 100 Mikrogramm. Nach Ermittlung der bestbewerteten Dosis werden die Wirksamkeitsdaten der geimpften Kinder mit einer Placebo-Gruppe verglichen.
Zum Vergleich: Eine Erwachsenen-Impfdosis von Biontech enthält 30 Mikrogramm, von Moderna 100 Mikrogramm.
Risiko von Nebenwirkungen bei Kindern
Wie Fahrnberger mögliche Nebenwirkungen in seiner Entscheidungsfindung abgewogen hat? "Alle Nebenwirkungen, auch seltene, sind inzwischen bekannt. Spätfolgen gab es bei Impfungen bislang nie (nur manchmal später erkannte Nebenwirkungen, bei seltener verimpften Impfstoffen). Mögliche Nebenwirkungen wie (meist milde) Herzmuskelentzündungen kommen vor, sind aber so selten, dass ich das individuelle Risiko meiner Tochter von Long Covid-Langzeitfolgen für deutlich höher halte."
Abschließend hält der Unternehmer fest: "Dies ist KEINE Empfehlung, es mir nachzumachen. Es ist eine schwierige Entscheidung für Eltern, die keineswegs klar ist."
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