Bekannt ist etwa, dass regelmäßiger Sport und wiederkehrendes Fasten das Herz stärken und den Fettgehalt im Blut senken können – und damit das Herz-Kreislauf-System gesund halten.
Diesen Wirkungen liegen natürliche biochemische Reaktionen des Organismus zugrunde, weiß Anne Hecksteden, Sportmedizinerin an der Medizinischen Universität Innsbruck und der Universität Innsbruck. "Wenn wir auf nüchternen Magen intensiv trainieren, kommt der Körper in einen Zustand des Energiemangels", sagt die Spezialistin, die selbst auf dem Gebiet forscht. "Das ist vorteilhaft, weil es Signale anwirft, die den Körper dazu bringen, eine solche Mangelsituation bei zukünftigen Belastungen zu vermeiden. Mit anderen Worten: Um Anstrengungen zu bewältigen, die über unserem aktuellen Fitnesslevel liegen." Dabei steigen unter anderem der Laktatspiegel und der Gehalt an Beta-Hydroxybutyrat, einem Keton, das aus Fettreserven gebildet wird, um den Körper mit Energie zu versorgen, wenn diese nicht durch Nahrung zugeführt wird. "Und LaKe simuliert diese Prozesse, indem es diese Substanzen von außen zuführt", summiert Hecksteden.
Zusammen, das betont die dänische Forschungsgruppe, "scheinen diese beiden Veränderungen den Gehalt an freien Fettsäuren im Blut zu senken und auch den Appetit zu unterdrücken". Effekte, die langfristig dazu beitragen könnten, das Risiko von Herzerkrankungen, Schlaganfällen und Typ-2-Diabetes zu verringern.
Nicht alles läuft über Biochemie
Dank LaKe soll der Körper umfassend profitieren – ohne dass Sportschuhe geschnürt werden oder auch nur eine Schweißperle rollt. Doch kann eine einzelne Substanz wirklich die ganzheitlichen Effekte von Sport nachahmen?
Expertin Hecksteden zweifelt daran: "Die Auswirkungen von körperlicher Aktivität sind so komplex und betreffen alle Organsysteme. Das kann eine einzelne chemische Substanz nicht nachahmen." Eine komplette Simulation sei auch deswegen unplausibel, "weil gar nicht alle Trainingsreize auf chemischen Weg stattfinden". Für den stärkenden Effekt auf die Blutgefäße – er ist für die Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen relevant – ist z. B. nicht eine biochemische Reaktion verantwortlich
"Die Schubspannung, die entsteht, wenn Blut durch die Gefäße fließt, ist ein wirksamer Trainingsreiz und sorgt dafür, dass die Gefäßwände in guten Zustand bleiben. Und die Menge an Blut, die durch den Körper strömt, können wir nur durch körperliche Aktivität beeinflussen", präzisiert Hecksteden. Eine Tablette, die bestimmte Stoffwechselprozesse triggert, "würde das nicht leisten".
"Der Ansatz ist generell interessant", sagt Endokrinologin Alexandra Kautzky-Willer von der MedUni Wien. Was die neuen Erkenntnisse "für den Menschen bedeuten, ist aber derzeit völlig unklar". Körperliche Aktivität habe viele Wirkungen: "Etwa über die Bildung von Muskelmasse, die Freisetzung von antiatherogenen Myokinen (gegen die Entstehung einer Atherosklerose gerichtete hormonähnliche Botenstoffe, Anm.) und die Steigerung der kardiorespiratorischen Fitness. Diese Effekte können wohl kaum durch Nahrungsergänzung ersetzt werden", betont die Expertin.
Fraglich ist auch, ob LaKe über rein physische Wirkungen hinausgehende Effekte anstoßen kann: Stressabbau, gehobene Stimmung oder besseren Schlaf.
Viele Kandidaten und fragliche Nebenwirkungen
Neu ist die Idee der Bewegungs-Mimetika ohnedies nicht: 2008 stellte man in den USA ein Medikament namens GW501516 (kurz: 516) vor, das Schlüsselgenen im Körper signalisiert, Fett statt Zucker zu verbrennen. In Maus-Experimenten behielten Nager damit bei gleicher hochkalorischer Futtergabe den längeren Atem und die schlankere Linie. Erforscht wird auch Lac-Phe, eine Substanz, die intensives Training mit hohen Laktatspiegeln im Körper gebildet wird, sowie ein neues Molekül namens SLU-PP-332, das den Stoffwechsel ankurbelt und die Ausdauer steigert. Letzteres beeinflusst die Skelettmuskulatur wie ein Ausdauertraining.
Bislang wurde auch LaKe, das oral verabreicht wird, nur an Ratten getestet. Im Gegensatz zu einigen der oben genannten Substanzen zeigten sich keine toxischen Nebenwirkungen. Ob sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, sei höchst unklar, sagt Hecksteden, die auch den Faktor Finanzierung anspricht. Poulsens Forschungen wurden von der Novo Nordisk Foundation gefördert und die Autoren haben bereits ein Unternehmen zu seiner Vermarktung gegründet.
Erste klinische Versuche am Menschen laufen jedenfalls gerade an und sollen den Weg zu einem Nahrungsergänzungsmittel ebnen, "das Menschen helfen soll, die wegen körperlicher Einschränkungen keine strengen Bewegungs- und Diätpläne einhalten können".
Dass dieser Plan aufgeht, sei nicht auszuschließen, sagt Hecksteden. "Aber wenn man davon ausgeht, wie viele Bewegungs-Mimetika schon propagiert worden sind und dann tatsächlich keines je richtig angekommen ist in der klinischen Anwendung, sehe ich nicht, warum es bei diesem Fall anders sein sollte."
Evolutionär "für Bewegung ausgestattet"
Manche Nebenwirkungen würden bei neuartigen Substanzen erst nach Jahren oder Jahrzehnten oder nur in manchen Personengruppen sichtbar. "Aber irgendwann kann natürlich theoretisch das Molekül kommen, das sicher und für bestimmte Patientengruppen wirksam ist."
Für den Rest von uns ist nach wie vor echtes Schwitzen angesagt. Gut so, sagt Hecksteden: "Für körperliche Bewegung sind wir evolutionär ausgestattet, sie ist für die allermeisten Menschen wirksam und risikolos. Da halte ich es für nicht schlau, in der Breite der Bevölkerung eine deutlich weniger gut verstandene Tablette zu sich zu nehmen."
Kommentare