Diese Frage haben sich Forschende des Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum gestellt. Sie ließen depressive Patientinnen und Patienten drei Wochen lang regelmäßig sporteln. Infolge wurden hirnphysiologische Messungen durchgeführt, die depressiven Symptome erneut diagnostisch bewertet – und Vergleiche zur inaktiven Kontrollgruppe gezogen.
Es zeigte sich: Körperliche Aktivität steigert die Veränderungsbereitschaft des Gehirns, die sogenannte Neuroplastizität. "Neuroplastizität beschreibt die Fähigkeit des Gehirns, sich bis zum Lebensende verändern und Verknüpfungsmuster anpassen zu können", erklärt Psychologin Christina Beran. Dass das menschliche Gehirn offenbar durch Sport formbar wird, erscheint plausibel: "Je öfter ich etwas tue, und je besser ich es kann, desto sympathischer wird mir diese Tätigkeit, desto lieber übe ich sie aus und desto intensiver tauchen dabei angenehme Gefühle auf", sagt Beran. Wiederholung schafft also Lernerfolg, Begeisterung, Motivation. Ein positiver Kreislauf entsteht. "Die Veränderung im Hirn folgt dem Fuß und eröffnet neue Handlungsspielräume."
Psychologin Karin Flenreiss-Frankl hält auch einen anderen Wirkmechanismus für denkbar: "Wer dank eines veränderungswilligen Hirns flexibel auf Herausforderungen des Alltags reagiert, kann Depressionen eher umschiffen." Denn vielfältige Bewältigungsstrategien machen krisenfit. "Sind die Handlungsoptionen eingeschränkt, machen sich Hilflosigkeitsgefühle breit – Gift für die Psyche."
"Bewegung aktiviert uns außerdem, kann eine positive Wirkung auf die Körperhaltung haben und das kann sich auf die innere Haltung auswirken", sagt Beran. Erfolgserlebnisse im Sport wirken wie ein Booster aufs Selbstvertrauen, bestätigt Flenreiss-Frankl, "das man dann auch in andere Lebensbereiche mitnehmen kann".
Soziales Miteinander
Das Sportprogramm an der Bochumer Universitätsklinik war abwechslungsreich und spielerisch gestaltet und fand in der Gruppe statt – allerdings ohne Wettbewerbs- sondern vielmehr mit Kooperationscharakter. Auch darin sehen die Expertinnen therapeutischen Potenzial: "Wir Menschen sind soziale Wesen, das Miteinander tut uns gut", sagt Flenreiss-Frankl. "Bestärkende Erfahrungen in der Gruppe zu machen, kann die Freunde darüber potenzieren", ergänzt Beran.
Als Motor hinter der neuroplastischen Veränderung wird übrigens der Botenstoff Serotonin vermutet, der schon während der frühen Hirnentwicklung an dessen Bildung beteiligt ist. Antidepressiva – sie erhöhen Konzentration von Serotonin im Hirn – drehen das Gehirn tatsächlich wieder auf Empfang für neue Erfahrungen, wie Wiener Forscher der MedUni Wien kürzlich herausfanden. Geformte Vernetzungen, die unser Verhalten und Erleben mitsteuern – Hirnforscher sprechen von neuronalen Autobahnen im Kopf – lösen sich, der Mensch gewinnt eine neue Sicht auf die Welt.
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