Die Erkenntnisse deuten auf ein verbindendes Element zwischen Wiederholungslesern hin – und legen einen Konnex zur Kindheit nahe.
Die Forschenden befragten 700 Männer und Frauen zu ihren Lesegewohnheiten und vermaßen ihre Persönlichkeitsstruktur anhand von Fragebögen. Es zeigte sich: Bücherwürmer, die eine Handvoll Lieblingsbücher immer wieder lesen, weisen meist einen unsicher-vermeidenden oder ängstlich-ambivalenten Bindungsstil auf. Sie berichteten davon, sich ihrem sozialen Umfeld wenig zugehörig zu fühlen und von häufigen Stressgefühlen. Buchliebhaber, die sich neue Publikationen zu Gemüte führen, zeigten diese unsicheren Bindungen nicht und gaben an, sich in ihrem Umfeld gut aufgehoben zu fühlen.
Das in der Kindheit geprägte Bindungsverhalten gilt in der Psychologie als wichtiger Prädiktor für die psychische Entwicklung und Beziehungsgestaltung im Erwachsenenalter. Die moderne Bindungstheorie geht auf die Mutter-Kind-Experimente des Psychiaters John Bowlby und der Psychologin Mary Ainsworth aus den 50er-Jahren zurück.
Menschen mit einem vermeidenden Bindungsstil assoziieren mit Nähe nichts Gutes, in Beziehungen finden sie nur schwer ein emotionales Zuhause. Ängstliche Bindungstypen haben ein hohes Bedürfnis nach sozialer Bestätigung und reagieren sensibel auf Distanz. Beide Bindungsstile werden als unsicher klassifiziert, im Gegenteil zu sicheren Typen, die emotionale Sicherheit als tieferen Sinn jeder Bindung ansehen.
Daran knüpft das Forschungsteam an: Der wiederholte Konsum hänge mit unerfüllten Bedürfnissen nach Zugehörigkeit und Unsicherheiten in puncto sozialer Akzeptanz zusammen. Eine Geschichte immer wieder zu lesen, bedeutet, sich intensiv mit einer narrativen Welt und den Figuren darin zu beschäftigen – und ohne soziales Risiko, eine als ungefährlich wahrgenommene Beziehung zu ihnen aufzubauen.
Heute weiß man übrigens: Bindungsstile sind nicht in Stein gemeißelt: Sie können aufgrund späterer Erfahrungen durchaus verändert werden.
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