Abendliche Übungen sollen 30 Minuten mehr Schlaf bringen
Für die Untersuchung – sie wurde im Fachblatt BMJ Open Sport & Exercise Medicine veröffentlicht – unterzogen sich Probandinnen und Probanden im Labor unterschiedlichen Abendroutinen. Die einen verbrachten ab 17 Uhr vier Stunden überwiegend im Sitzen, die anderen wurden alle 30 Minuten physisch kurz – lediglich drei Minuten lang – angeregt. Die Übungen wurden vorgegeben: Kniebeugen mithilfe eines Sessels, Wadenheber (man stellt sich wiederholt auf die Zehen und senkt die Ferse wieder) sowie Knieheber (man hebt das Knie nach vorne an, bis sich der Oberschenkel des gebeugten Beins in einer parallelen Position zum Boden befindet). Übungen, die ohne Zubehör ausgeführt und leicht in den Alltag integriert werden können, argumentieren die Forschenden um Jennifer Gale, die sich mit den Effekten abendlicher Aktivität auf Schlaf und Stoffwechsel befasst.
Gemessen wurden die Aktivitäts- und Ruhezyklen mittels eines Armbanduhr-ähnlichen Messgeräts am Handgelenk. Selbstauskünfte der Teilnehmenden komplettierten die Daten. In der Analyse zeigte sich, dass die aktiveren Teilnehmenden im Schnitt fast 30 Minuten länger schliefen als die ruhenden. Die Schlafqualität war in beiden Gruppen annähernd gleich. Wer sich mit den erwähnten Übungen nicht anfreunden kann, hat laut den Studienautorinnen und -autoren andere Optionen: "Man könnte wahrscheinlich einen ähnlichen Effekt erzielen, wenn man zu Hause herumgeht, auf der Stelle marschiert oder im Wohnzimmer tanzt – das Wichtigste ist, dass man sich regelmäßig aus dem Sessel erhebt und seinen Körper bewegt", wird Sportwissenschafterin Meredith Peddie in einer Aussendung zur Studie zitiert.
Interessant, aber nicht bahnbrechend
Geschmälert wird die Aussagekraft der Studie, das betont das Team der Uni Otago selbst, durch die kleine Stichprobe: In Summe flossen lediglich von 28 Teilnehmenden, der Großteil davon Frauen, Messungen und Angaben zum Schlafmuster in die Analyse sein. Verzerrungen durch das künstliche Laborsetting seien nicht auszuschließen. "Bei Schlafstudien ist das Untersuchungssetting enorm wichtig", weiß Kerstin Hödlmoser, Schlafforscherin und Sportpsychologin im Fachbereich Psychologie im Labor für Schlaf & Bewusstseinsforschung der Paris Lodron Universität. In Summe seien die Erkenntnisse aus Neuseeland "interessant".
Denn zu erforschen, wie Bewegung zur Verbesserung des Schlafes dienen kann, sei "jedenfalls relevant", betont Hödlmoser. Die Folgen von belastetem Schlaf sind potenziell schwerwiegend: Wer über längere Zeit schlecht einschläft, durchschläft oder zu früh aufwacht, hat ein erhöhtes Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen, Fettleibigkeit und Depressionen, greift vermehrt zu Alkohol und hat eine geringere Lebenserwartung.
Für die Neurologin Anna Heidbreder sind die Erkenntnisse kaum verwunderlich: "Die Resultate widersprechen gängigen schlafmedizinischen Empfehlungen nicht", sagt die stellvertretende Vorständin der Universitätsklinik für Neurologie am Kepler Universitätsklinikum Linz.
Problematisch für die Nachtruhe sei lediglich exzessiver Sport. "In moderater Form aktiv zu sein, wie es in der vorliegenden Studie angeleitet wurde, ist sicherlich günstig", erklärt die Schlafmedizinerin, die auch Mitglied im Vorstand der Österreichischen und der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin ist. So wirke zum Beispiel auch ein Abendspaziergang keinesfalls schlafstörend.
"Abendliche Bewegung ist nicht per se schlecht für den Schlaf"
"Die Botschaft sollte nicht sein, dass abendliche Bewegung per se schlecht für den Schlaf ist", sagt auch Hödlmoser. Allerdings gelte es, die Zeitspanne bis zum tatsächlichen Zubettgehen im Auge zu behalten: "Wenn man beispielsweise um 22 Uhr ins Bett geht, kann man durchaus um 18 Uhr noch Laufen oder Radfahren gehen." Leicht aktivierende Entspannungsübungen, etwa im Rahmen von Yoga oder Faszientraining, könne man auch ein bis zwei Stunden vor der Schlafenszeit noch einplanen. "Als klassisches Abendritual eignen sich anaerobe Aktivitäten, bei denen man sich verausgabt, unmittelbar vor dem Schlafen aber nicht." In der neuseeländischen Studie sei die Bewegung ab dem späten Nachmittag angeleitet worden. "Wodurch eine ein- bis zweistündige Entspannungsphase vor dem Schlafengehen möglich ist."
An der Tatsache, dass regelmäßiger Sport bei Tageslicht – idealerweise an der frischen Luft, denn natürliches Licht kurbelt später die Melatoninproduktion an – nützlich für den Nachtschlaf ist, ändert die neue Studie ohnehin nichts. Und: Auch Sex – immerhin auch eine Form körperlicher Betätigung – am späteren Abend kann helfen, Schlafblockaden zu lösen. "Sex vor dem Einschlafen ist schlafmedizinisch empfehlenswert", ist beispielsweise auf der Website der deutschen Schlafmedizin-Gesellschaft zu lesen.
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