Kältekammer im Test: Wie sich minus 88 Grad anfühlen

Kältekammer im Test: Wie sich minus 88 Grad anfühlen
Die kalte Luft soll therapeutische und kosmetische Effekte haben. Doch wie kalt ist die sogenannte Kryosauna? Ein Selbstversuch.

Nicht nur Eisbaden, sondern auch Kältekammern liegen im Trend: Mittlerweile findet man in Österreich einige Anbieter sogenannter Kryosaunen, darunter auch viele Kur- und Rehaeinrichtungen. 

Denn neben kosmetischen Effekten wie einer besseren Haut, soll ein regelmäßiger kurzer Aufenthalt von wenigen Minuten bei um die minus 100 Grad therapeutische Effekte haben, etwa Schmerzen bei Rheuma und Arthritis lindern, Muskelkater nach dem Sport reduzieren und die Regeneration fördern oder positive Auswirkungen auf Schlaf, Stoffwechsel und Immunsystem haben. 

Auch zahlreiche Stars wie Christiano Ronaldo, Jennifer Aniston und Marc Wahlberg setzen sich immer wieder dem Kälteschock aus. Richard Lugner schwor auf zweimal wöchentliche Besuche in seiner eigens zuhause gebauten Kammer. 

Kältekammer: Bis zu minus 110 Grad Celsius möglich

Doch wie fühlt es sich an, nur mit Badeanzug bekleidet bei minus 100 Grad Celsius auszuharren? 

Bevor es losgeht, treffe ich Max Lindenberg, Geschäftsführer von Cryotec Cosmetic im ersten Bezirk in Wien. Lindenberg erzählt, dass die Kammer etwa eineinhalb Stunden braucht, um auf minus 100 Grad Celsius abzukühlen, dass sie aber so gut gefragt ist, dass er die niedrigen Temperaturen über den Tag konstant halten kann. Bis zu minus 110 Grad Celsius sind möglich. Er fragt anhand eines Fragebogens nach gesundheitlichen Problemen und Vorerkrankungen. Einzelne Krankheiten, etwa die Weißfingerkrankheit, bei der sich bei Kälte die kleinen Blutgefäße verschließen, gelten als Ausschlussgrund für die Kältekammer. 

Elisabeth Gerstendorfer und Max Lindenberg besprechen den Fragebogen.

Bevor es in die Kältekammer geht, muss ein Fragebogen ausgefüllt werden.

"Man kann fast süchtig danach werden"

Der Fragebogen ist schnell ausgefüllt, generell gilt aber: Wer tatsächlich zur Schmerztherapie in die Kälte möchte, sollte mit seinem Arzt Rücksprache halten. Etwa zehn Behandlungen zwei Mal pro Woche brauche es, um gesundheitliche Effekte festzustellen. "Manche können nach regelmäßiger Anwendung sogar ihre Medikamente absetzen. Zu uns kommen auch sehr viele Sportler, vor allem aus dem Kampfsportbereich oder Fußball, da der Aufenthalt in der Kältekammer die Regeneration bei Verletzungen und Muskelkater fördern kann", sagt Lindenberg, der die Kammer auch selbst regelmäßig nutzt – und auch die Grenzen der Aufenthaltsdauer auslotet. "Ich mag eigentlich Kälte gar nicht, aber man kann fast schon süchtig danach werden. Länger als viereinhalb Minuten empfehle ich aber nicht."

Max Lindenberg

Max Lindenberg ist Geschäftsführer von Cryotec Cosmetic in Wien.

Für Erstbesucher wie mich sind dreieinhalb Minuten vorgesehen. 39 Euro kostet eine solche Einzelbehandlung. Und es wird ernst. Auf einem Display außerhalb der Kammer kann man die Temperatur ablesen: minus 88 Grad. In dem kleinen Raum hat genau eine Person Platz, im Inneren ist es dunkel mit leicht bläulichem Licht. Ich bekomme Handschuhe, Socken und ein Stirnband, da Finger, Ohren und Zehen am schnellsten auskühlen, und Badeschlapfen, damit ich nicht ausrutsche. Eine Atemmaske verhindert, dass in der Kältekammer die feuchte Atemluft an den Wänden gefriert.

Temperaturanzeige außerhalb der Kammer.

Auf einem Display außerhalb der Kammer sieht man die Temperatur sowie die Zeit.

Überwindung beim Einstieg in die Kammer

Lindenberg öffnet die Tür der Vorkammer. In ihr hat es minus 30 Grad – das hilft einerseits beim Akklimatisieren, hat aber auch praktische Gründe, da die Kühlung der Kammer weniger energieaufwändig ist, wenn zumindest an einer Seite ebenfalls ein kalter Raum ist. Der Schritt hinein kostet mich Überwindung – ich denke ans Eisbaden, wo mir schon das Hineinhalten der Zehen zu viel ist. Drinnen bin ich überrascht: Die minus 30 Grad fühlen sich wärmer an als erwartet. Mein Puls steigt zwar und ich fühle mich aktiviert, die Kälte ist aber gut aushaltbar. 

Ich spüre wie die Haut kälter wird und nach 30 Sekunden gehe ich in die eigentliche Kältekammer mit minus 88 Grad. Den Temperaturunterschied merke ich deutlich, dennoch empfinde ich die Kälte nicht als unangenehm. Wie Lindenberg empfohlen hat, bewege ich mich, versuche zu tanzen, Arme und Beine zu schütteln – so bleibt ein dünner Luftfilm zwischen Haut und Umgebungstemperatur – die Kälte ist weniger intensiv. Es ist kalt, aber kein Vergleich zu kaltem Wasser.

Die Kältekammer von außen.

So sieht die Kältekammer von außen aus.

Warum ist Eisbaden so unangenehm, die Kältekammer aber nicht?

Wie kann Eisbaden so unangenehm sein, während die Kältekammer gut aushaltbar ist? Wasser leitet Wärme 20- bis 30 Mal besser als Luft. Das bedeutet, dass kaltes Wasser dem Körper die Wärme viel schneller entzieht als kalte Luft. Selbst bei minus 110 Grad Celsius in der Kältekammer verliert der Körper weniger Wärme als bei 0 bis 5 Grad Celsius im Wasser. Das macht den Kälteschock im Wasser intensiver und unangenehmer, während die ersten Sekunden in der Kältekammer nicht als Schock empfunden werden. Außerdem ist beim Eisbaden der gesamte Körper vollständig in Wasser eingetaucht – die Haut ist direkt und gleichmäßig im Kalten. In der Kältekammer bleibt ein Luftfilm zwischen Haut und Umgebungskälte.

Je mehr Zeit vergeht, desto mehr spüre ich die Kälte, unangenehm oder schmerzhaft ist es aber nicht. Die Atmung wird etwas schneller, die Kälte kurbelt meinen Kreislauf an. Anders als im Winter im Freien ist die Kälte trocken und für wenige Minuten gut aushaltbar – auch in Badekleidung. Die Zeit vergeht schnell. Als Lindenberg die Tür öffnet, gehe ich aber trotzdem auch gerne wieder hinaus. Ich fühle mich tatsächlich frischer, aktivierter und energiegeladener als davor. Fast ein bisschen unwirklich, dass ich gerade in minus 88 Grad gestanden bin. 

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