"Ich hasse es, der Überträger von schlechten Nachrichten zu sein, aber Israel erlebt derzeit seine bisher größte Covid-19-Welle", schreibt Elías Eybórsson von der Universität von Island. "An diesem Punkt ist es abwegig anzunehmen, dass eine erhöhte Impfrate zu einer Herdenimmunität führen wird." Aber: "Der positive Aspekt ist, dass ein viel größerer Teil der Infizierten minimale oder gar keine Symptome hat, und weniger Patienten mit Covid-19 in Spitalsbehandlung müssen."Die 7-Tage-Inzidenz liegt in Island derzeit über 200.
Von den 357.000 Einwohnern sind derzeit knapp 1400 wegen einer akuten Infektion in Isolation, 24 davon im Spital. Das klingt nach wenig, bedeutet aber für das nur dünn besiedelte Land bereits eine hohe Zusatzbelastung des Gesundheitssystems. Das Problem ist: Durch die fortlaufend hohe Zahl an Infizierten wird das Gesundheitssystem massiv unter Druck gesetzt, obwohl viele Fälle dank der Impfungen mild verlaufen - 97 Prozent der Infizierten haben laut Medienberichten milde oder gar keine Symptome. Und 60 Prozent der Geimpften sind vor jeglicher Form einer Infektion geschützt.
Auch der Immunologe Watzl betont, dass diese Daten zeigen, dass man nicht darauf hoffen könne, sich nicht zu infizieren: "Auch bei hoher Impfquote laufen die Infektionen weiter. Man kann sich als Ungeimpfter nicht auf Herdenimmunität verlassen, da diese aufgrund von Delta aktuell nicht erreichbar ist." Das bedeutet: Mit der Delta-Variante scheint auch bei sehr hoher Durchimpfungsrate kein Gemeinschaftsschutz - Schutz von Ungeimpften durch viele Geimpfte - möglich zu sein.
Eine Sache, die man von Island lernen könne ist, dass Durchbruchsinfektionen nicht selten sind, schreibt Eybórsson.
Doch wer steckt sich vor allem an?
"Aktuell sind besonders die 18- bis 29-Jährigen in Quarantäne", schreibt Watzl: "Im Vergleich zu der Altersverteilung aller Infektionen seit Beginn der Pandemie zeigt sich: Die Alten sind aktuell durch die Impfung geschützt!"
Bei einer so hohen Impfquote "ist natürlich der Anteil der voll Geimpften bei den Neuinfektionen höher als der der Ungeimpften und liegt aktuell bei rund 70 Prozent", erklärt der Immunologe.
Doch bezogen auf den Impfstatus (also durchschnittliche Infektionen in einer jeweils gleich großen Gruppe von Geimpften und Ungeimpften im gleichen Zeitraum) "stecken sich auch in Island die Ungeimpften immer noch deutlich häufiger an, eventuell auch durch infizierte Geimpfte. Daher sollten sie sich durch die Impfung vor dem Risiko eines schweren Verlaufs schützen, auch wenn dieses gering ist."
Da sich also eher die Jüngeren und weniger Ungeimpften infizieren gebe es auch deutlich weniger schwere Fälle, so dass "trotz hoher Inzidenz die Krankenhausaufenthalte gering sind".
Impfungen tun also genau das, was sie sollen, betont Watzl: "Sie schützen vor schweren Verläufen! ABER: Auch Geimpfte können sich anstecken, da die Impfung nicht hundertprozentig schützt und gerade der Schutz vor Infektion nicht so gut ist wie der Schutz vor schwerer Erkrankung."
Fazit: Island setzt auch wieder auf Abstandhalten, Masken und Reisebeschränkungen. Denn das Spitalspersonal ist bereits durch den bisherigen Pandemieverlauf "ausgebrannt", warnte der Direktor des Universitätsspitals, Páll Matthíasson. Und es gebe schon jetzt Covid-Patienten, die zuhause auf ein Bett warten: "Und unsere bisherige Erfahrung und unsere Daten zeigen uns, dass wir den Gipfel der Welle noch nicht erreicht haben."
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