„Als die Pandemie begann, war ich traurig, weil ich den Menschen helfen wollte und nicht konnte“, sagt der 13-jährige Andrew Brandt aus New Orleans. Er bat daher seine Mutter, bei der Impfstoff-Studie von Pfizer mitzumachen, wie CNBC berichtet.
Der Junge ist eines von Tausenden Kindern weltweit, das die Impfung noch vor der Zulassung erhielt. Auf Basis ihrer Impfreaktionen wird über Zulassung, Dosis, Altersempfehlungen und Hinweise für Eltern entschieden. „Ich war ziemlich ruhig, weil ich nicht unter den Ersten war und die Forscher es für ziemlich sicher hielten“, erzählt Brandt.
5000 bis 7000 Kinder je Impfstoff
Mittlerweile ist der Impfstoff für Zwölf- bis 16-Jährige zugelassen. Derzeit testen die großen Impfstoffhersteller Biontech/Pfizer, Moderna und AstraZeneca die Vakzine an jeweils ca. 5000 bis 7000 Kindern ab sechs Monaten - die Ergebnisse werden für Herbst erwartet. US-Präsident Joe Biden äußerte sich am Mittwoch optimistisch, dass auch Impfungen für Kinder unter zwölf Jahren bald, nämlich bereits ab Ende August oder im Herbst, zugelassen werden könnten. Ein Beamter der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA hatte schon zuvor gesagt, dass die Zulassung bis Mitte des Winters kommen könnte.
Placebo oder Impfstoff?
Der dreizehnjährige Brandt reagierte mit Fieber, Muskelkrämpfen und Schmerzen an der Injektionsstelle – ein Hinweis, dass er wahrscheinlich den Impfstoff und nicht ein Placebo erhalten hat. Denn die Studien finden als Doppelblindstudien statt – weder Teilnehmer noch Forscher wissen, ob sie den Impfstoff oder eine harmlose Kochsalzlösung bekommen. Das ist bei Pharmastudien ein häufiges Vorgehen, um festzustellen, welche Reaktionen auf das Arzneimittel zurückzuführen sind.
Aber wie bekommen Pharmafirmen eigentlich Kinder für ihre Medikamententests?
Studienteilnehmer werden meist über Einschaltungen in Zeitungen oder im Internet erreicht. „Es gibt eigene Firmen, die sich darauf spezialisiert haben. Die gesetzlichen Regelungen sind aber je nach Land unterschiedlich, in Österreich sind zum Beispiel keine Radio- und Fernsehwerbungen erlaubt“, sagt der Klinische Pharmakologe Markus Zeitlinger von der MedUni Wien.
Zustimmung des Kindes
Jede Form der Kontaktaufnahme zwischen Interessierten und der Pharmafirma muss von der Ethikkommission bewilligt werden – wortwörtlich. Bei Kindern kommt hinzu, dass es neben dem Einverständnis der Eltern auch ihre eigene Zustimmung braucht – egal wie alt sie sind.
„Die Aufklärung muss je nach Entwicklungsstand aufbereitet sein. Bei kleinen Kindern kann das eine Bildergeschichte sein.“ Generell sei es nicht leicht, Kinder für Pharmastudien zu gewinnen. Sie dürfen auch nur dann stattfinden, wenn es bereits ausreichend Daten zur Sicherheit bei Erwachsenen gibt. Während man Erwachsenen oft eine Aufwandsentschädigung bezahlt, ist das bei Kindern verboten. Was motiviert Eltern ihr Kind mitmachen zu lassen? „Der Hauptanreiz ist der frühere Zugang zu medizinischer Intervention, also im Fall der Impfungen unter den Ersten zu sein. Die Studien finden zudem unter extrem kontrollierten Bedingungen statt und die Teilnehmer erhalten Zugang zu Informationen, z. B., ob das Kind Antikörper gebildet hat.“
Im Vordergrund steht meist ein Vorteil für das Kind, manche Eltern sehen einen größeren Nutzen für die Bevölkerung. Die teilnehmenden Kinder müssen ein Tagebuch über Reaktionen führen und erhalten ein Lineal um Rötungen rund um die Einstichstelle zu vermessen. Sie werden über einen längeren Zeitraum regelmäßig untersucht. Im Fall des 13-jährigen Andrew Brandt sind das zwei Jahre.
Placebo-Dilemma
Ein Dilemma der Impf- aber auch anderer Arzneimittelstudien ist, dass es fast immer eine Placebo-Gruppe gibt. Bei ersteren ist das weniger ein Problem, da die Teilnehmer bereits nach einigen Wochen erfahren, in welcher Gruppe sie waren und dann den echten Impfstoff erhalten. Schwieriger ist dies bei schwerkranken Kindern, die in der Hoffnung auf Heilung bei Medikamentenstudien teilnehmen. Sie sind meist leicht für Studien zu gewinnen, da sie und ihre Eltern auf neue Therapien hoffen.
„Es wird versucht, Kinder so gut wie möglich ins Boot zu holen. Das ist bei Gesunden schwieriger als bei jenen, die mit einer Erkrankung aufwachsen und oft gut verstehen, dass eine Studie auch anderen Kindern etwas bringen kann“, so Zeitlinger. Und: Auch wenn schon alles unterschrieben ist, wird kein Kind zur Teilnahme gezwungen.
Kommentare