Hydroxychloroquin und Trump: Warum Ärzte so skeptisch sind
Im März tat er es zum ersten Mal: US-Präsident Donald Trump warb für das Malariamittel Hydroxychloroquin als Therapie gegen Covid-19. Daraufhin schnellten die Suchanfragen nach Kaufmöglichkeiten des Medikaments in den USA um 1389 Prozent in die Höhe – und es kam zu Vergiftungsfällen.
Jetzt hat es Trump wieder getan – auf besondere Weise: „Ich habe es (Hydroxychloroquin, Anm.) die vergangenen eineinhalb Wochen genommen. Eine Tablette jeden Tag“, sagte er bei einer Pressekonferenz. Er habe „sehr gute Dinge“ über das seit Langem zugelassene Malariapräparat gehört. Damit ignoriert er auch Warnungen der US-Gesundheitsbehörde FDA: Hydroxychloroquin sei „nicht sicher und effektiv um Covid-19 zu behandeln oder vorzubeugen“.
„Was Trump hier macht, ist absolut gefährlich“, sagt der Intensivmediziner Walter Hasibeder, künftiger Präsident der Fachgesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI). „Es gibt absolut keinen Befund an Patienten, dass dieses Medikament den Verlauf einer Covid-19-Erkrankung positiv verändert. “
Als zu Beginn der Pandemie eine französische Studie Hinweise darauf erbrachte, dass das Virus durch das Medikament rascher aus dem Rachen entfernt wird, „haben wir es im Krankenhaus Zams auch ausprobiert“, blickt Hasibeder zurück. „Aber es hat sich am Verlauf der schweren Erkrankungen nichts verändert. Daraufhin haben wir es abgesetzt. Auch das New York Presbyterian Hospital setzt es nicht mehr ein, seit eine Studie keinen Rückgang der Todesfälle gezeigt hat.“
Risiko für das Herz
Hydroxychloroquin könnte sogar eher gefährlich sein für Covid-19-Patienten, betont Hasibeder: So gebe es Hinweise aus Studien auf negative Effekte der Substanz auf die Weiterleitung elektrischer Reize im Herzen. Das Risiko von Herzrhythmusstörungen und plötzlichem Herzstillstand könnte dadurch erhöht werden. Weitere Daten könnten bald vorliegen: Derzeit wird die Substanz hauptsächlich in kontrollierten, gut überwachten Studien eingesetzt – etwa in einem Programm der WHO.
„Nach wie vor haben wir kein Medikament, das bei wirklich schweren Erkrankungen den Verlauf positiv verändern kann“, sagt Hasibeder. Auch der tatsächliche Effekt des Anti-Virus-Präparats Remdesivir sei noch nicht ausreichend belegt.
Möglicherweise sei auch die Kombination mehrerer Wirkstoffe notwendig: So habe die Kombination von mehreren antiviralen Medikamenten die Symptome rascher mildern und den Zeitraum der Virusausscheidung verkürzen können.
„Aber wir haben in den vergangenen zwei Monaten in der Therapie sehr viel gelernt“, betont der Intensivmediziner: „Es treten bei dieser Erkrankung Blutgerinnsel viel häufiger auf als bei anderen – Lungenembolien (Verstopfung eines Blutgefäßes der Lunge) können eine Folge sein: Wir haben bereits ganz am Anfang eine hoch dosierte Therapie zur Hemmung der Blutgerinnung verabreicht, das hatte einen großen Effekt, ebenso wie eine optimierte Dosierung der Beatmung.“ Und man dürfe auch den Effekt einer guten Pflege nicht unterschätzen, das Wechseln der Lage etwa: „Es wirken viele Faktoren zusammen, die dafür verantwortlich sind, ob jemand überlebt oder nicht.“
Einsatz bei einigen Entzündungskrankheiten
Die unklare Datenlage von Hydroxychloroquin bei Covid-19 sollte auf keinen Fall Patienten verunsichern, die aufgrund von Autoimmunerkrankungen wie „Lupus“ (Systemic Lupus Erythematosus) Hydroxychloroquin als Dauermedikation verschrieben bekommen: „Hier kann die Substanz Rückfälle signifikant verringern“, sagt der Rheumatologe Kurt Redlich, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie: „Eine Überaktivierung des Immunsystems wird verhindert, das Risiko des Wiederauftretens der Erkrankung in Schüben, von denen dann etwa die Nieren oder das Zentralnervensystem betroffen sein können, vermindert.“
In der niedrigeren Dosierung im Vergleich zu den Covid-19-Therapien gebe es auch kein Risiko für eine Herzerkrankung, im Gegenteil: „Die chronische Entzündung führt bei Lupus-Patienten zu einem massiven Ansteigen der Atherosklerose (Gefäßverkalkung, Anm.). Und da dürften solche entzündungshemmende Medikamente günstig wirken.“
„Nutzen erwiesen“
„Aber es ist nicht nur eine andere Dosierung, es ist vor allem auch eine andere Erkrankung als Covid-19, das kann man nicht vergleichen. Und deshalb muss sich niemand, der Hydroxychloroquin verschrieben bekommt, Sorgen machen. Im Gegenteil: Der Nutzen ist bei Lupus eindeutig erwiesen“, sagt Redlich.
Auch bei der rheumatoiden Arthritis (chronische Polyarthritis) wird Hydroxychloroquin bei manchen Patienten eingesetzt: „Da ist es aber nicht das Wundermittel. Bei Lupus hingegen sollte es wirklich fast jeder Patient bekommen.“ Bei Schwangeren mit einer bestimmten Gerinnungsstörung des Blutes, die deshalb schon eine Fehlgeburt hatten, kann Hydroxychloroquin als Zusatzmedikation verabreicht werden, um das Risiko von Fehlgeburten zu reduzieren.
Reisemedizin
In der Reise- und Tropenmedizin spielt Chloroquin als Einzelsubstanz seit mehreren Jahren keine Rolle mehr – ein Grund sind die weitverbreiteten Resistenzen der Malariaerreger. „Chloroquin wird nicht mehr zur Malaria-Prophylaxe empfohlen, höchstens in reinen Malaria-tertiana-Gebieten“ (eine eher gutartige Verlaufsform der Malaria, Anm.), schreibt der Tropenmediziner Herwig Kollaritsch: „Hier ist die Dosis wesentlich niedriger als für die Dauerbehandlung, wie wir sie auch von der chronischen Polyarthritis kennen, daher ist das Nebenwirkungsrisiko viel niedriger.“
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