Das Geheimnis der 100-Jährigen: Das haben sie alle gemeinsam
Was macht die Persönlichkeit von Menschen aus, die 100 Jahre alt werden? Spanische Wissenschafterinnen haben eine Antwort auf diese Frage gefunden. Sie führten sehr detaillierte Interviews mit 19 Menschen (davon 16 Frauen) im Alter zwischen 100 und 107 Jahren durch. Aus der Analyse der Antworten destillierten sie 19 zentrale Merkmale, die sich schließlich in acht Kategorien zusammenfassten. Daraus leiteten sie unter der Überschrift "Was können wir von Hundertjährigen lernen?" auch Empfehlungen für jede und jeden von uns ab.
Die Studie wurde von der Psychologin Dolores Merino und ihren Co-Autorinnen von der Universidad Complutense de Madrid, Spanien, durchgeführt.
Acht Persönlichkeitsmerkmale trafen auf die meisten befragten Hundertjährigen zu:
- Lebensfreude:
„Die befragten Hundertjährigen sind stark mit dem Leben verbunden, sie leben nicht nur, sondern wollen offensichtlich weiterleben“, heißt es in der Studie. Sie haben ihr ganzes Leben lang gearbeitet – und das gerne. Auch wenn sie in sehr hohem Alter aufhören mussten zu arbeiten, blieben sie körperlich und geistig aktiv. „Sie sitzen nicht am Rand.“
„Ich habe genäht, bis ich 98 war. Jetzt löse ich gerne Kreuzworträtsel. Ich gehe die Stiege hinauf, um meine Beine zu trainieren“
- Freude am Miteinander:
„Die befragten Hundertjährigen sind sozial, haben herzliche Beziehungen zu ihren Familien, Freunden und Betreuern und sind altruistisch“, schreiben die Autorinnen. Sie helfen Bedürftigen, ohne darum gebeten zu werden und ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Sie sind sehr gesprächig, hatten ihr ganzes Leben lang Freunde und haben ihre sozialen Beziehungen immer gepflegt.
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- Verbindlichkeit, Engagement:
Die Hundertjährigen erbrachten und erbringen in ihrem Bereich hohe Leistungen. Deshalb waren sie sehr geschätzte Arbeitskräfte, egal, ob sie Reinigungskräfte, Hirten oder Lehrer waren. Ihre Chefs überließen ihnen verantwortungsvolle Aufgaben und versuchten, sie davon zu überzeugen, nicht zu gehen, wenn sie ihre Arbeit aufgeben wollten.
„Ich hatte nie Probleme, Freundschaften zu schließen und bin mit allen gut ausgekommen ... Ich bin sehr gesprächig“
- Selbstbestimmtheit:
Eigenständig entscheiden, die Kontrolle über das Leben haben und es in die Richtung lenken, in die man das selbst will – auch das sind durchgehende Eigenschaften: Für eine Dame gehörte auch dazu, bis ins Alter von 99 Jahren mit dem Auto zu fahren – „bis meine Tochter es mir verboten hatte. Aber ich wollte nie von jemandem abhängig sein, der mich wohin bringt und abholt.“
- Neugier:
Alle Befragten haben „eine Freude am Lernen“ und geistiger Beschäftigung: „Viele sind oder waren unersättliche Lesende mit großen Büchersammlungen. „Selbst diejenigen, die nicht zur Schule gehen konnten, lernten selbstständig lesen und schreiben, was auf ein deutliches Interesse am Lernen hindeutet, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Analphabetenquote in Spanien in ihrer Kindheit bei 60 Prozent lag.“ Viele haben – teils unter großen Opfern – dafür gekämpft, ihren Kindern einen Uni-Abschluss zu ermöglichen.
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- Positive Grundhaltung:
Die Grundeinstellung der Hundertjährigen ist eine positive. Dies heiße aber nicht, dass sie immer optimistisch oder froh gelaunt sind: „Sondern eher in dem Sinne, dass sie dankbar für das Leben sind und es trotz der Schwierigkeiten, die sie erlebt haben, zu genießen wissen.“ Und sie wertschätzen alle guten Dinge, die ihnen im Leben zuteilwurden.
„Auch in schwierigen Lebenssituationen habe ich nicht aufgegeben, ich habe weitergemacht, so gut ich konnte“
- Widerstandsfähigkeit:
„Diese Hundertjährigen sind bemerkenswert widerstandsfähig“, heißt es in der Studie. Sie haben viel durchgemacht: Misshandlungen durch den Ehemann, den Verlust des Partners oder von Kindern, eingesperrt sein im Altersheim wegen Covid-19, den Spanischen Bürgerkrieg. „Trotzdem verstanden sie es, ihr Leben zu meistern, in einigen Fällen auch neu auszurichten und vor allem nicht durch diese negativen Erfahrungen psychisch geschädigt zu werden.“
1.692 Menschen in Österreich waren am 1. 1. 2023 laut Statistik Austria 100 Jahre alt und älter. Davon waren 1.440 Frauen und 252 Männer
15.700 Menschen in Österreich (davon 12.102 Frauen) waren am 1. 1. 2023 zwischen 95 und 99 Jahre alt
Globale Situation
Laut einer Schätzung der Vereinten Nationen lebten 2022 rund 593.000 Hundertjährige weltweit. Im Jahr 2050 könnten es 3,7 Millionen sein
- Klugheit, Intelligenz:
Die Hundertjährigen „sind Problemlöser“, nehmen Herausforderungen an, auch wenn sie nicht speziell geschult sind, und haben Erfolg. „Ihre Konversation ist schnell, sie sind flink und haben ein gutes Gedächtnis, und sie waren in der Lage, sich anzupassen und ihr Leben in Bahnen zu lenken, die sie zufriedenstellen. Sie sind intelligente Menschen.“
Was wir von den Hundertjährigen lernen können
"Die Analyse des Lebens gesunder Hundertjähriger liefert uns bestimmte Lektionen, die aller Wahrscheinlichkeit nach dazu beitragen können, ein gesundes Alter zu erreichen", schreiben die Studienautorinnen: Dazu zählen körperliche und geistige Aktivität, die Pflege sozialer Beziehungen und die Bereitschaft, anderen zu helfen. "Lass deine Lieben wissen, dass du sie liebst", führen die Autorinnen ebenso an wie Verantwortung, Ehrlichkeit und Beharrlichkeit während des gesamten Lebens.
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Die Autorinnen führen auch die "Entwicklung von Fähigkeiten" an, "die es uns ermöglichen, negative und stressige Ereignisse als Teil des Lebens zu akzeptieren und, soweit möglich, die positive Essenz aus einem widrigen Ereignis zu ziehen".
Wichtig sei auch, einen "weiten Blick zu haben und in der Lage zu sein, Gelegenheiten (etwa zu neuen Kontakten, Anm.) jenseits unserer näheren Umgebung oder unserer Komfortzone zu finden". Und: "Übe dich in Dankbarkeit und sei dir all der guten Dinge in deinem Leben bewusst."
Die Arbeit ist im Journal of Happiness Studies erschienen.
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