Erhöhtes Infarktrisiko: Wann Fußballschauen aufs Herz gehen kann
Fußballschauen kann emotional sehr aufregend sein – und das kann, gerade bei Großereignissen, für die Herzgesundheit mancher mitfiebernder Fans auch negativ sein, wie Studien bei vergangenen Europa- und Weltmeisterschaften gezeigt haben.
Dabei hat sich ein Anstieg von Herzinfarkten gezeigt, worauf jetzt Kardiologinnen und Kardiologen anlässlich der bevorstehenden Fußballeuropameisterschaft in Deutschland hinweisen.
- Bei der Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich verlor England am 30.6. gegen Argentinien im Elfmeterschießen. An diesem und den beiden folgenden Tagen gab es in England um 25 Prozent mehr Herzinfarkte, als es dem normalen Tagesschnitt entspricht, zeigte eine Untersuchung. Insgesamt handelte es sich um 55 zusätzliche Spitalseinweisungen wegen Herzinfarkten im Vergleich zur erwarteten Zahl.
- "Eine der weltweit wichtigsten Studien zu dieser Frage stammt aus der Analyse von kardiovaskulären Ereignissen in der Region München während der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland", schreibt das Deutsche Ärzteblatt. Erhoben wurden damals Notfall-Ereignisse wie Herzinfarkt, instabile Angina pectoris (Engegefühl bzw. Schmerz im Brustraum), symptomatische Herzrhythmusstörungen oder Herzstillstand mit Reanimation. An Tagen, an denen die deutsche Mannschaft spielte, traten derartige Notfälle 2,6 Mal häufiger auf im Vergleich zu den Kontrollzeiträumen vor und nach der WM. Bei Männern betrug der Anstieg sogar das 3,2-Fache, bei Frauen das 1,8-Fache.
Auffällig war auch: Bei den Patienten mit Notfällen an Tagen, an denen die deutsche Mannschaft spielte, lag der Anteil der Patienten mit bereits bestehender koronarer Herzkrankheit bei 47 Prozent, verglichen mit 29,1 Prozent der Patienten mit Ereignissen während des Kontrollzeitraums. Das Fazit der Autorinnen und Autoren: "Das Anschauen eines spannenden Fußballspiels erhöht das Risiko eines akuten kardiovaskulären Ereignisses um mehr als das Doppelte. Angesichts dieses erhöhten Risikos, insbesondere bei Männern mit bekannter koronarer Herzkrankheit, sind Präventionsmaßnahmen dringend erforderlich."
- Auch während der Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien (Weltmeister wurde Deutschland) kam es zu gehäuften Krankenhauseinweisungen in Deutschland. Konkret waren es von Mitte Juni 2014 bis Mitte Juli 18.479. Das waren um 3,7 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Jahres 2015 und um 2,1 Prozent mehr als in dem Zeitraum des Jahres 2013. Im Monat nach der WM sank die Zahl der Spitalsaufnahmen um 5,4 Prozent.
Bei der Rate der Todesfälle insgesamt gab es keinen Unterschied zu den Kontrollzeiträumen. Allerdings stellten die Autorinnen und Autoren der Untersuchung fest: "Die höchste Sterblichkeitsrate im Krankenhaus im gesamten WM-Zeitraum wurde beim WM-Finale beim Spiel Deutschland gegen Argentinien beobachtet." Das Finalspiel gewann letztlich Deutschland nach Verlängerung mit 1:0.
Risikopersonen sollten nicht auf ihre Medikamente
"Sportliche Großereignisse, die bei den Fans zu starker emotionaler Erregung führen, können die Infarkthäufigkeit etwas erhöhen", kommentiert der Kardiologe Bernhard Metzler von der Universitätsklinik Innsbruck diese Studienergebnisse. "Häufig handelt es sich um Männer mittleren Alters, bei denen mehrere Risikofaktoren zusammenkommen: Hoher Blutdruck, Alkohol- und Nikotinkonsum, oft auch einseitige Ernährung und natürlich auch Schlafmangel während des Ereignisses."
Andererseits sei es aber auch wichtig, die Relationen im Auge zu behalten: "Die Ausgangswerte zu normalen Zeiten, mit denen die Anstiege verglichen werden, sind ja relativ niedrig. Man darf deshalb diese erhöhten Infarktraten nicht überbewerten", betont Metzler. "Wichtig ist natürlich schon, dass gerade Risikopersonen im Zuge der EM-Aufregungen nicht auf ihre Medikamente vergessen und sich ein Spielgeschehen nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Sich übermäßig emotional hineinzusteigern – sei es beim Fußball, bei einer Diskussion mit dem Nachbarn oder im Büro – ist nie gut für die Herzgesundheit." Allerdings sei dauerhafter negativer Stress im Beruf der viel größere Risikofaktor als eine kurzfristige Aufregung während eines Fußballspiels. "Man muss keine zu große Angst haben, sollte aber auf jeden Fall seine Risikofaktoren wie einen Bluthochdruck kontrollieren und im Auge behalten."
"Wichtig ist, vorübergehende Schmerzen und Engegefühle im Brustraum, die vor allem bei Belastung auftreten, ernst zu nehmen und bei einem Internisten abklären zu lassen", betont Metzler. Bei plötzlich auftretenden starke Schmerzen im Brustbereich muss sofort die Rettung (Telefon 144) gerufen werden.
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