Oberflächliches Gesundheitsbekenntnis, keine nachhaltigen Maßnahmen
Das Problem: Unternehmen verfolgen die gesundheitliche Stützung des Personals oft nicht ernsthaft genug. Betriebe geben sich oberflächlich gesundheitsbewusst, ohne nachhaltige Maßnahmen anzubieten – ein gesundes Mindset wird nicht verinnerlicht. Dieses Vorgehen trägt neuerdings auch einen Namen: Die Begriffe "Health Washing" oder "Wellness-Washing" haben sich dafür etabliert. In Analogie zum Greenwashing, wo Konzerne sich und ihren Produkten aus Imagegründen einen ökologischen Anstrich verpassen.
Das Phänomen scheint durchaus verbreitet: So zeigen etwa Erhebungen der global tätigen Institution of Occupational Safety and Health, das sich mit betrieblichem Gesundheitsmanagement befasst, dass 51 Prozent der Arbeitnehmer "Health Washing"-Tendenzen bei ihrem Arbeitgeber beobachten.
"Es werden Gesundheitsmaßnahmen nach außen beworben, aber im Alltag fehlt es dem Personal an Zeit, Flexibilität und Förderung, um diese nutzen zu können", erklärt Heidegger-Haber die zweifelhafte Vorgangsweise. In die Unternehmenskultur findet das Gesundheitsbewusstsein selten Eingang. Anstatt eine konsistente Gesundheitsstrategie zu entwickeln, würden viele Betriebe auf punktuelle Angebote setzen, um im Wettbewerb als arbeitnehmerfreundlich wahrgenommen zu werden. Heidegger-Haber: "Viele Mitarbeitende erkennen schnell, dass der vermeintliche Fokus auf Gesundheit nicht im Einklang mit den tatsächlichen Arbeitsbedingungen steht."
Junge Arbeitnehmer mit hohen Ansprüchen
Vor allem junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben inzwischen ein großes Bewusstsein für ihre eigene physische und psychische Gesundheit – und erwarten eine entsprechende Sensibilität von ihren Arbeitgebern.
Der Bedarf für stützende Gesundheitsmaßnahmen ist da: Neuesten Forschungen der MedUni Wien und der Sigmund-Freud-Privatuniversität zufolge zeigen mehr als 40 Prozent der erwachsenen Österreicherinnen und Österreicher Zeichen eines Burn-outs. Etwa zehn Prozent der österreichischen Erwerbsbevölkerung gelten laut Arbeiterkammer als Burn-out-Betroffene. Zu den Auslösern gehört unter anderem eine zu große Arbeitsbelastung bei mangelnden Entlastungsmöglichkeiten.
Die Anzahl der Arbeitsausfälle in Folge psychischer Erkrankungen nimmt außerdem jährlich zu. Laut dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) stieg der Anteil an Krankenstandstagen wegen psychischer Erkrankungen von 6,9 Prozent im Jahr 2010 auf 11,4 Prozent im Jahr 2021.
Yoga am Stress-Höhepunkt
Nicht selten laufen angebotene Leistungen in Betrieben auch deshalb ins Leere, weil sie nicht auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zugeschnitten sind. "So fühlen sich beispielsweise Beschäftigte, die unter Stress oder Rückenproblemen leiden, von allgemeinen Fitnesskursen nicht angesprochen oder unterstützt", präzisiert Heidegger-Haber. Yoga-Kurse um die Mittagszeit würden etwa aus Zeitgründen an vielen Mitarbeitern vorbeilaufen.
In vielen Fällen mangelt es auf Chefebene an Bewusstsein für Belastungen am Arbeitsplatz: So hat etwa eine Studie der Unternehmensberatungsfirma McKinsey ergeben, dass Arbeitgeber die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter um 22 Prozent positiver einschätzen als diese selbst.
Wer die Gesundheit der Belegschaft ernsthaft fördern will, sollte zuallererst erheben, welche Angebote beim Personal auf Interesse stoßen und welche alltäglichen beruflichen Herausforderungen damit potenziell abgefedert werden können, umreißt Heidegger-Haber.
Wesentlich sei, dass die Bemühungen in einen kulturellen Wandel eingebettet sind: "Dazu gehört, dass Führungskräfte eine gesundheitsförderliche Arbeitsatmosphäre schaffen und transparent kommunizieren, welche Gesundheitsmaßnahmen umgesetzt und welche Ergebnisse angestrebt werden."
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