Hautschutz: Gibt es gesunde Bräune überhaupt?
Die Haut vergisst nichts, heißt es. Das bestätigt auch Kaan Harmankaya. "Tatsächlich kann es sein, dann man exzessives Brutzeln in der Jugend später mit Hautkrebs bezahlt", sagt der Dermatologe. Auch die Hautalterung wird durchs achtloses Sonnenbaden beschleunigt. Im KURIER-Interview erklärt Harmankaya, wie man gesund bräunt und warum der Aufdruck "sensitiv" auf Sonnencremes mehr Werbeschmäh als Wirkung ist.
KURIER: Was passiert, wenn Sonnenlicht auf Haut trifft?
Kaan Harmankaya: Die UV-Strahlen werden von den Melanozyten aufgenommen. Das sind Zellen, die für die Pigmentierung und den Sonnenschutz verantwortlich sind. Sie verarbeiten die Strahlung. So entsteht das Hautpigment, das an die Hautzellen übertragen wird – man wird braun.
Eine Schutzfunktion?
Absolut. Menschen, die in stark sonnenbestrahlten Regionen leben, haben durch einen dunkleren Hauttyp einen in den Genen verankerten höheren Schutz. Wenn Menschen mit helleren Hauttypen in solche Regionen übersiedeln, haben sie dort ein deutlich erhöhtes Hautkrebsrisiko.
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Ist gesundes Bräunen möglich?
Natürlich. Licht und Sonne sind für Körper und Psyche enorm wichtig. Die Menge macht das Gift. Wenn man die Sonne überkonsumiert, handelt man sich Probleme ein. Wichtig ist, seinen Hauttyp zu kennen und das mit adäquatem Sonnenschutz und Bräunungsverhalten zu kombinieren.
Worauf gilt es zu achten?
Zum einen sollte die pralle Sonne zwischen 12 Uhr und 15 Uhr gemieden werden. Je weiter südlich man sich befindet, desto länger ist dieses Zeitfenster und desto kürzer der Eigenschutz der Haut. Menschen mit sehr heller Haut schädigt die Sonne ohne Schutz schon nach rund zehn Minuten, je dunkler der Hautton, desto länger kann man theoretisch uneingeschmiert in der Sonne verweilen. Allerdings kommt dann eine andere Gefahr zum Tragen: der Sonnenstich! Sonnencreme verlängert den Eigenschutz der Haut.
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Wie cremt man richtig?
Man sollte mit einem möglichst hohen Schutzfaktor in die Saison starten. Im Idealfall mit 50+. Wer den ganzen Tag im Freien verbringt, muss nachcremen. Vor allem, wenn man im Wasser war oder sich auf einer Liege gedreht und gewendet hat. Man sollte mehr auftragen, als man zu benötigen glaubt. Die meisten cremen sich wie mit einer normalen Bodylotion ein, das ist zu wenig. Braun wird man übrigens trotzdem. Diese schonende Bräune hält so auch länger.
Verbrauchertests bestätigen immer wieder: Teure Produkte sind nicht automatisch besser. Was macht eine gute Sonnencreme aus?
Eine gute Sonnencreme muss gut auf der Haut verteilbar sein und darf keine Rückstände hinterlassen. Und sie muss die Haut natürlich wie ausgewiesen schützen. Tatsächlich heißt teuer nicht immer besser. Der Sonnenschutz sollte aber an den Hauttyp – eher trockene, schuppige, zu Ekzemen neigende oder eher fettige, zu Akne neigende Haut – angepasst sein. Reichhaltige Cremes sind gut für zu trocknere Ekzem-Haut, eine leichte Creme mit wenig Fettanteil eignet sich für die ölige Akne-Haut.
Taugen moderne Sonnenschutzpuder etwas?
Puder, die mit einem Pinsel auf die Kopfhaut aufgetragen werden, wirken gut. Alternativ kann man auch Sprays ohne Fett verwenden, dann bleiben keine Rückstände. Zum Schutz der sensiblen Haut im Gesicht, an den Ohren und im Nacken lohnt sich eine Kopfbedeckung.
Wie viel?
Für einen soliden Schutz sollten zwei Milligramm Sonnencreme pro Quadratzentimeter Haut verwendet werden. Bei Erwachsenen summiert sich das für den ganzen Körper auf die Menge, die in einen Tischtennisball passt. Haut unter Kleidung braucht keinen Schutz.
Wohin?
Die Haut an den Handinnenflächen, Fußsohlen oder Ohren wird vernachlässigt, ist aber genauso empfindlich. Auch unter den Rändern von Kleidungsstücken sollte man cremen.
Wie einreiben?
Festes Einreiben reduziert den Schutz, besser einen dünnen Film sanft auftragen. Baden tut selbiges, auch bei wasserfesten Produkten – daher nachcremen.
Oft werden Sonnencremes als "sensitiv" vermarktet.
Eine echte medizinische Übersetzung gibt es dafür nicht. Man könnte vermuten, dass sensible, empfindliche Haut eher im hautallergischen trockenen Bereich ist. Allerdings wird damit oft auf Produkten für Kinder geworben, da soll es wohl die Verträglichkeit ausweisen. Die Hersteller können viel behaupten, oft ist es mehr Marketing als echte Wirkung. Hat man sich etwas durchprobiert und ein Produkt gefunden, dass gut funktioniert, sollte man nicht wegen eines Werbespruchs wechseln.
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen LSF 50+ und einem Sunblocker?
In Österreich ist 50+ der höchste erhältliche Schutz – im Grunde ist das ein Sunblocker. In anderen Weltregionen gibt es höhere – bis zu LSF 100 –, aber in puncto Schutzwirkung ist da eigentlich nicht viel Unterschied.
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Seit 2015 ist die Zahl der Diagnosen von schwarzem Hautkrebs rückläufig. Wie ist das erklärbar?
Das Bewusstsein dafür hat sich verändert. In den Siebzigern war es normal, sich eingeölt in die Sonne zu knallen. In den Achtzigern waren Sonnencremes mit Lichtschutzfaktor 6 oder 8 angesagt. Heute wird von Kindestagen an mit 50+ eingecremt. Und auch wenn wir mehr Krebsdiagnosen sehen, sind das Fälle, die so früh erkannt werden, dass die Behandlung deutlich einfacher und erfolgversprechender ist.
Wie sollte Hautkrebsvorsorge im Idealfall ablaufen?
Die einfachste Form der Untersuchung erfolgt zuhause: Wenn man merkt, dass ein Muttermal komisch aussieht – und damit meine ich wirklich so ein seltsames Bauchgefühl – sollte man das abklären lassen. Dieses Bauchgefühl ist ganz oft richtig. Ansonsten ist es sicher empfehlenswert, einmal im Jahr zur Kontrolle zu gehen. Da haben wir in der Medizin das Dermatoskop zur Verfügung. Damit beleuchten wir Muttermale und erkennen Pigmentmuster, die zur Einschätzung einer Veränderung wichtig sind. Mittlerweile gibt es auch KI-gestützte Geräte, die Aufnahmen mit Datenbaken abgleichen, wo Bilder von korrekt diagnostiziertem Hautkrebs gespeichert sind. Das kann die Trefferquote erhöhen. Allerdings sind diese Geräte in der Anschaffung sehr teuer. Das Dermatoskop reicht in Kombination mit einem geschulten Auge aus.
"Licht und Sonne sind für Körper und Psyche enorm wichtig. Jedoch: Die Menge macht das Gift"
Wichtig ist nach neuer Datenlage offenbar ein Blaulichtfilter beim Sonnenschutz. Ist das im Kommen?
Damit soll eine spezielle Untergruppe des UV-Lichts gefiltert und so die Hautalterung und das Krebsrisiko verringert werden. Schlecht ist das sicher nicht. Die Frage ist, ob solche Produkte einen entscheidenden Vorteil bieten. Das wird sich noch weisen.
Bei Kindern wird viel über mineralische und chemische Sonnencremes diskutiert. Was ist besser?
Chemische Filter stehen im Verdacht eine hormonähnliche Wirkung zu haben. Bei kleinen Kindern würde ich tatsächlich auf eine Creme mit mineralischem Filter setzen. Wobei wir hier eher von einer Paste sprechen sollten. Mineralische Filter wirken, indem sie die Sonnenstrahlen reflektieren und von der Haut abweisen. Diese Cremes ziehen weniger ein, sondern bleiben auf der Haut und bilden so eine Barriere. So oder so: Ein kleiner Organismus verträgt nicht so viel Sonne. Man sollte mit kleinen Kindern nicht zu lange in der Sonne bleiben und UV-Kleidung verwenden. Das heißt aber nicht, dass Kinder gar nicht in die Sonne dürfen.
Und wenn einen der Sonnenbrand doch erwischt?
Bei großflächigen Sonnenbränden lohnen sich cortisonhaltige Cremes auf Rezept. Sie lindern Entzündungen und reparieren Hautschäden. Fühlt man sich grippig, schaffen Schmerzmittel Abhilfe. Nach einem Sonnenbrand sollte man der Sonne jedenfalls aus dem Weg gehen.
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