Ausgerotteter Grippestamm: Warum noch kein angepasster Impfstoff verfügbar ist

Gegen die Grippe gibt es eine wirksame Impfung.
Händewaschen, Abstand halten, Maske tragen – Corona-Testpflicht, Beschränkungen im Gastro-, Reise und Freizeitbereich: Während der Pandemie wurden diverse Maßnahmen ergriffen, um SARS-CoV-2 in Schach zu halten. Auch andere Krankheitserreger zirkulierten währenddessen nicht oder nur mehr in minimalem Ausmaß.
Ein Virus, genauer gesagt ein Subtyp eines gängigen Grippevirusstammes, wurde durch die Maßnahmen wohl zur Gänze ausgerottet. Laut einem Beitrag im renommierten Fachmagazin Lancet ist B Yamagata als einziges Virus, das Atemwegserkrankungen verursacht, im Zuge der Pandemie ausgestorben.
"B Yamagata seit 2020 nicht mehr aufgetaucht"
"Es ist tatsächlich so, dass B Yamagata seit 2020 nicht mehr aufgetaucht ist", bestätigt Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien. Bei B Yamagata handelt es sich um eine Linie des Influenza-Stammes B. Erreger der Influenza sind Orthomyxoviren, die in die Typen A, B und C unterteilt werden. Für Menschen sind insbesondere die saisonal auftretenden Influenza A- und B-Viren relevant, wobei bei Influenza A mehrere Subtypen und bei Influenza B zwei Linien existieren, auf die jährlich angepasste Vierfach-Grippeimpfstoffe (tetravalente Grippeimpfstoffe) ausgerichtet sind.
Da B Yamagata seit fast vier Jahren weltweit nicht mehr zirkuliert, "ist es derzeit grundsätzlich nicht mehr nötig, alle vier Stämme in die Impfung reinzugeben", sagt Redlberger-Fritz. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) befand im September 2023, dass die B-Yamagata-Komponente für den Impfschutz nicht mehr benötigt wird. Ein sogenannter trivalenter Grippeimpfstoff sollte nur noch Antigene eines Influenza-B-Stamms (B Victoria) sowie zweier Influenza-A-Stämme enthalten.
In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) bereits einen Dreifach-Impfstoff als Standardgrippeschutz. Allerdings: Verfügbar werden trivalente inaktivierte Grippeimpfstoffe erst für die Saison 2025/2026. So auch in Österreich: "Bei Erwachsenen kommt eine tetravalente Formulierung zum Einsatz", heißt es auf KURIER-Anfrage aus dem Gesundheitsministerium. Bei dem verimpften nasalen Grippe-Kinderimpfstoff handle es sich aber um einen trivalenten Impfstoff.
Warum ist das so und wieso wurde bei Kindern rascher reagiert?
"Kinder ab zwei Jahren bekommen einen Lebendimpfstoff nasal verabreicht. Wenn B Yamagata nicht mehr zirkuliert, sollte man das Lebendvirus nicht mehr verimpfen, um die theoretisch existierende Möglichkeit, dass es so weitergegeben wird, auszuschließen", sagt Redlberger-Fritz. "Deswegen hat man die B-Yamagata-Linie bei Kindern rasch rausgenommen." Erwachsene erhalten per Injektion ein inaktiviertes Virus. Tatsächlich ist es noch nie vorgekommen, dass eine per Influenza-Lebendimpfstoff geimpfte Person ein Virus weitergegeben hat. "Aber man kann das Virus ein paar Tage nach der Impfung in den oberen Atemwegen nachweisen und die WHO ist hier sehr vorsichtig und will alle Bedenken, so theoretisch sie auch sein mögen, umgehen."
Trivalente Impfstoffe wohl in der Grippesaison 2025/2026
Ob in der Impfsaison 2025/2026 ausschließlich trivalente Impfstoffe gegen Influenza angeboten werden, sei laut Gesundheitsministerium von der WHO-Empfehlung abhängig. "Sie wird voraussichtlich im April 2025 vorliegen." Jedes Jahr im Februar überlegt die WHO, wie die Grippeimpfstoffe der kommenden Saison konzipiert sein sollten, um die Menschen bestmöglich zu schützen, und damit die Hersteller genug Zeit haben, ausreichend Dosen bis zum Beginn der Impfsaison zu produzieren.
Genaue Überwachung notwendig
Mit einem abschließenden Befund zu B Yamagata sollte man laut Redlberger-Fritz jedenfalls vorsichtig sein: Influenza-B-Viren würden an sich periodisch alle fünf bis sieben Jahre kräftig zirkulieren. Da durch die Pandemie generell nur eine sehr geringe oder gar keine Zirkulation stattfand, sei es denkbar, "dass sich das Zeitfenster, in dem ein Wiederauftreten der Linie erwartbar wäre, verschoben hat".
"Die Impfstoffe, die wir diese Saison zur Verfügung haben, wurden vor zwei Jahren bestellt", weiß Redlberger-Fritz. Es sei also nicht ungewöhnlich, dass noch ein Vierfach-Impfstoff zur Anwendung kommt. "Es wurde nichts verschlafen oder übersehen und außerdem halte ich es keinesfalls für einen Nachteil, dass heuer noch gegen alle vier Linien geimpft wird", betont die Expertin. "Im Gegenteil, ich empfinde es als Vorteil, weil man nie wissen kann, ob B Yamagata nicht doch zurückkehrt."
Ob das passiert, wird global genauestens beobachtet, auch in Österreich. "Jede Influenza-positive Probe im Influenza-Überwachungssystem wird typisiert, um es rasch zu erfassen, sollte B Yamagata wieder auftauchen."
Das Nationale Impfgremium empfiehlt die Grippeimpfung für alle Menschen, die sich gegen das Virus und einen schweren Verlauf wappnen wollen.
Besonders empfohlen ist die Impfung unter anderem für Kinder ab dem vollendeten 6. Lebensmonat, Personen mit chronischen Erkrankungen, stark übergewichtige Personen, Menschen mit Einschränkungen des Immunsystems durch Erkrankung oder Medikamente, Menschen ab dem 60. Lebensjahr, Personal des Gesundheits- und Pflegebereichs oder für in Gemeinschaftseinrichtungen tätigen Personen, Schwangere und Frauen, die während der Influenzasaison schwanger werden wollen, Stillende und Personen im Umfeld von Neugeborenen.
Grippe ist kein grippaler Infekt
Die Grippe ist eine hochansteckende Infektionskrankheit, geht meist mit plötzlicher Abgeschlagenheit, hohem Fieber und trockenem Husten einher. Mit einer im Volksmund oft als grippalem Infekt titulierten harmloseren Erkältung hat sie nichts zu tun.
Fast jedes Jahr kommt es in Österreich in den Herbst-/Wintermonaten zu einer Grippewelle, bei der sich fünf bis 15 Prozent der Bevölkerung anstecken und viele davon erkranken. Jährlich sterben rund 1.000 Personen an einer Ansteckung mit Influenzaviren.
In Europa und auch Österreich gibt es derzeit noch keine nennenswerte Influenzavirusaktivität. Ein Aufkommen des Virus wird in den kommenden Wochen erwartet, "weswegen jetzt der richtige Zeitpunkt ist, sich impfen zu lassen", sagt Redlberger-Fritz.
Kommentare