Grippaler Infekt oder Covid? Warum derzeit so viele krank sind
Schnupfen, Husten, Heiserkeit – über diese Symptome klagen derzeit viele. Sie fühlen sich erschöpft, haben oft Kopf- und Gliederschmerzen und können nicht arbeiten. Rund 37.600 Menschen sind laut Österreichischer Gesundheitskasse (ÖGK) aufgrund eines grippalen Infekts derzeit (Kalenderwoche 24) im Krankenstand. Das sind um 19 Prozent mehr als zur selben Zeit im Vorjahr (rund 31.500).
Weitere 977 Menschen sind aktuell mit einer Covid-Infektion im Krankenstand – hier ist ein leichter Anstieg zu beobachten, vor drei Wochen waren es noch 660, die wegen Covid nicht arbeiten konnten. Tatsächlich sind es wahrscheinlich mehr, die derzeit an Covid erkrankt sind, meint die Allgemeinmedizinerin Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer. "Wir sehen momentan viele grippale Infekte, können aber nur dann auf Covid testen, wenn die Patienten die Kosten dafür übernehmen. Viele können oder wollen sich das nicht leisten. Die Abwasserzahlen zeigen jedoch einen Anstieg der Viruslast und da, wo Tests gemacht werden, sind sie häufiger positiv", sagt Kamaleyan-Schmied. Rund 20 Euro kostet der Covid-Test. Auch, wenn der Verdacht auf eine Infektion besteht, müssen die Kosten vom Patienten getragen werden.
Abgelaufene Covid-Tests können falsche Ergebnisse liefern
Das antivirale Medikament Paxlovid kann aber nur dann verschrieben werden, wenn ein Covid-Test in der Ordination erfolgt und positiv ist. "Viele haben noch abgelaufene Covid-Tests zuhause. Diese Tests sind aber nicht mehr zu gebrauchen und können falsch negativ ausfallen. Das heißt, die Patienten wiegen sich oft in falscher Sicherheit, obwohl sie eigentlich Covid haben", betont die Wiener Allgemeinmedizinerin mit Ordination in Floridsdorf. Die Symptome von grippalen Infekten, echter Grippe, Covid und RSV (Respiratorisches Synzytial-Virus) sind sehr ähnlich und klinisch kaum zu unterscheiden. Sicherheit gibt nur ein PCR-Test. Auch der Test auf Grippe müsse selbst gezahlt werden. Die richtige Diagnose sei aber zentral, um rasch mit dem richtigen Medikament zu behandeln.
Starke Zunahme bei Keuchhusten
Eine Zunahme an Erkrankungen gibt es derzeit auch bei Keuchhusten (Pertussis). Bereits jetzt wurden im heurigen Jahr mit 6.049 Erkrankten mehr als doppelt so viele Fälle wie im Vorjahr (2023: 2.780) verzeichnet. 338 Menschen mussten wegen der meldepflichtigen Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden. Der hochinfektiöse Husten kann vor allem für Kleinkinder gefährlich werden, da es zu einem Atemstillstand kommen kann. Eines von 1.000 infizierten Kindern verstirbt an Komplikationen durch Keuchhusten. Anders als Grippe, Covid und RSV wird Keuchhusten nicht durch Viren, sondern durch Bakterien ausgelöst und kann mit Antibiotika behandelt werden.
Ältere Kinder und Erwachsene leiden meist unter einem lang anhaltenden Husten. Kamaleyan-Schmied: "Die Hustenanfälle sind sehr stark bis hin zum Erbrechen und dauern mit drei bis sechs Wochen meist lange an. Die Impfung gegen Keuchhusten sollte für Schwangere und Risikopersonen kostenlos sein", so Kamaleyan-Schmied. Zu Risikopersonen zählen etwa alle in medizinischen Berufen tätigen Personen, Personal von Kinderbetreuungseinrichtungen sowie allgemein Menschen, die häufig Kontakt mit anderen haben, und Personen ab dem vollendeten 60. Lebensjahr.
Für Kinder ist die Impfung im kostenlosen Impfprogramm enthalten, allerdings besteht erst ab der zweiten Teilimpfung mit etwa fünf Monaten ein ausreichender Impfschutz – das heißt, bis dahin sind Neugeborene ungeschützt, weshalb Schwangeren im letzten Drittel der Schwangerschaft eine Auffrischungsimpfung empfohlen wird. Dies gilt unabhängig davon, wann ihre letzte Keuchhustenimpfung erfolgte. Vielfach würde laut Kamaleyan-Schmied das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Keuchhusten-Impfung fehlen, ähnlich verhalte es sich mit RSV.
RSV-Impfung ist sehr teuer und muss privat gezahlt werden
Das RS-Virus führt in Österreich jährlich zu rund 330.000 Infektionen, 170 Menschen sterben jedes Jahr nach einer Infektion. Typischerweise treten die ersten Fälle Mitte November auf, insgesamt dauert die Saison bis zu sechs Monate. Kamaleyan-Schmied: "Es ist seit Kurzem möglich, sich gegen RSV impfen zu lassen, die Kosten sind mit um die 250 Euro aber sehr hoch und privat zu zahlen. Es wäre eine gute Sache, wenn Kinder, die während der RSV-Zeit geboren werden, gleich nach der Geburt immunisiert werden. Andere Länder wie Spanien und Japan sind uns hier voraus."
Die Ursache, warum derzeit so viele krank sind, sieht die Allgemeinmedizinerin vor allem in den häufigen Wetterwechseln der vergangenen Wochen. "Schnupfen und ähnliche Erkältungssymptome gibt es übers ganze Jahr verteilt, die Wechsel zwischen warm und kalt können die Verbreitung von Viren und Bakterien aber verstärken. Wichtig ist, Hygienemaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen einzuhalten und wenn ich krank bin und nicht weiß, was ich habe, eine Maske zu tragen." Wer bei Hitze verkühlt oder stärker erkrankt ist, sollte zudem die Sonne meiden und sich schonen.
Besonders hohe Erkrankungszahlen erwartet Kamaleyan-Schmied im Herbst. „Viele Hausärzte haben die Sorge, dass im Herbst die Infektionen wieder sehr stark ansteigen. Zum einen, weil viele Menschen die vorhandenen aber teuren Impfungen wie jene gegen RSV nicht nutzen, zum anderen, weil die Tests wie bei Covid privat zu zahlen sind. Hinzu kommt ein Medikamentenmangel – flüssige Antibiotika sind derzeit etwa schwer zu bekommen. Wir sollten jetzt handeln, um für den Herbst gewappnet zu sein.“
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