Keuchhusten bei Kindern: Können Eltern die Krankheit erkennen?
Der Tod eines erst wenige Wochen alten Babys in einem Grazer Spital an Keuchhusten sorgt derzeit für Besorgnis unter vielen Eltern: Lässt sich Keuchhusten rechtzeitig erkennen? Und wie kann eine Infektion im Säuglingsalter vermieden werden?
Das erste Erkrankungsstadium ist unauffällig: Leichte Erkältungsbeschwerden treten auf - "ein bisschen Husten, Schnupfen, nur selten Fieber", sagt der Wiener Kinderarzt Peter Voitl vom Kinder-Primärversorgungszentrum Donauinsel in Wien. "Keuchhusten beginnt wie viele harmlose Erkältungskrankheiten - deshalb ist er ein besonderer Risikofaktor für ungeimpfte Säuglinge und Kinder. Denn häufig wird er aufgrund des relativ harmlosen Verlaufs zu Beginn erst spät erkannt."
Denn in dieser "Erkältungsphase" ist die Ansteckungsgefahr besonders groß. "Die einzigen Hinweise, die wir in dieser Anfangsphase auf Keuchhusten haben, sind zwei Dinge: Das Kind ist ungeimpft und es hatte Kontakt zu einer Person, die akut viel und heftig hustet." Bei einem Verdacht auf Keuchhusten kann mittels Bluttest oder Schleimhautabstrich ein Nachweis der Erreger durchgeführt werden.
Erst nach dieser Eingangsphase kommt es zu den heftigen Hustenattacken und -anfällen, "die nur sehr schwer zu beherrschen sind, vor allem in der Nacht". Und diese Phase dauert vier bis acht Wochen. Typisch ist dabei ein keuchendes Geräusch beim Einatmen der Luft, das durch die Verengung der oberen Atemwege entsteht.
Lebensgefährliche Atempausen
Zwar kann Keuchhusten mit einer speziellen Antibiotika-Therapie sehr gut behandelt werden: "Aber die wirkt nur, wenn damit in dieser ersten Erkrankungsphase, vor dem Einsetzen der schweren Hustenattacken, begonnen wird. Denn hat die Phase der Hustenanfälle begonnen, ist die Schleimhaut der Atemwege bereits stark geschädigt, gleichzeitig aber sind die Bakterien, die die Krankheit ausgelöst haben, oft schon nicht mehr nachweisbar."
Vor allem bei Säuglingen unter sechs Monaten können diese Hustenattacken einen lebensgefährlichen Krankheitsverlauf auslösen: Bei den Hustenanfällen kann es zu längeren Atempausen kommen, sagt der Kinderarz Peter Voitl. Diese können zu einer Schädigung des Gehirns durch Sauerstoffmangel und im schlimmsten Fall bei zu langen Atempausen oder einem Atemstillstand zum Tod führen.
Babys können erst ab dem vollendeten 2. Lebensmonat und dann im 5. sowie im 11./12. Monat im Rahmen der 6-fach Impfung geimpft werden. "Aufgrund des häufigen Vorkommens von Keuchhusten und des schweren Verlaufs im Säuglingsalter sollte mit der Impfserie so früh wie möglich begonnen werden, das heißt unmittelbar mit Vollendung des 2. Lebensmonats", so der Österreichische Impfplan. "Ein ausreichender Impfschutz besteht erst nach der zweiten Teilimpfung'", sagt Voitl: "Es gibt also ein Zeitfenster von zirka fünf Monaten, in dem die Säuglinge ungeschützt sind."
Impfung für jede Schwangere
Allerdings gibt es eine Möglichkeit, diesen fehlenden Impfschutz auszugleichen: Und zwar durch eine Auffrischungsimpfung von Schwangeren im dritten Drittel der Schwangerschaft (27.-36. Schwangerschaftswoche), unabhängig vom Abstand zur letzten Impfung gegen Pertussis, wie es im Impfplan heißt. Voitl: "Die Impfung ist für Schwangere sehr gut verträglich, da muss man sich keine Sorgen machen. Und jede Schwangere sollte geimpft werden, ganz egal, wann ihre letzte Impfung vor der Schwangerschaft war." Durch diese Impfung in der Schwangerschaft werden schützende Antikörper auf die Säuglinge übertragen - ein sogenannter "Nestschutz": "Damit kann diese kritische Phase der Schutzlosigkeit von Säuglingen in den ersten Lebensmonaten überbrückt werden."
Im Schulalter wird die Kombinationsimpfung Diphtherie, Tetanus, Pertussis und Polio im 7.-9. Lebensjahr wiederholt. "Bevorzugt soll die Auffrischungsimpfung mit Schuleintritt erfolgen, da es ab dem Alter von 6 Jahren zu einem deutlichen Abfall der Antikörperspiegel („waning“) und steigenden Infektionsraten kommt", heißt es im Impfplan, danach alle 10 Jahre bzw. alle 5 Jahre ab dem vollendeten 60. Lebensjahr.
Gleichzeitig sollten aber ganz besonders auch alle Menschen, die mit Kindern zu tun haben - enge Kontaktpersonen von Säuglingen ebenso wie Personal auf Kinderabteilungen, in Ordinationen, in Kindergärten und Schulen - ihren eigenen Impfschutz überprüfen. "Bisher hieß es immer, dass nach der Impfung in der Volksschulzeit alle zehn Jahre eine Auffrischung erfolgen soll - das entspricht auch den derzeit noch gültigen offiziellen Empfehlungen. Seit einiger Zeit wird allerdings ein neuer Impfstoff eingesetzt, der viel besser verträglich ist als der alte, der aber offenbar kürzer Schutz bietet. Deshalb rate ich dazu, alle fünf bis maximal zehn Jahre aufzufrischen", betont Voitl. "Es gibt immer mehr Hinweise, dass ein Impfabstand von zehn Jahren nicht ausreichend ist." Geimpfte Kinder und Erwachsene werden bei Kontakt mit Erkrankten nicht infiziert und können andere nur sehr selten anstecken - Infektionsketten sind damit unterbrochen.
Sehr viele Impflücken
Besonders bei den Erwachsenen gebe es sehr viele Impflücken: "Zwischen der Impfung im Volksschulalter und der ersten Auffrischung vergeht oft sehr sehr viel Zeit, da entstehen große Impflücken." Das Schlimme daran: "Wenn man als Jugendlicher nicht auffrischt, geht der Schutz der ersten vier Impfungen verloren."
Pertussis-Fälle sind vor der COVID-19 Pandemie in Österreich stetig gestiegen, heißt es bei der AGES. Dabei kam es vermehrt zu Komplikationen bei Erwachsenen und Langzeitverläufen. Während im Jahr 2015 österreichweit 579 Fälle gemeldet wurden, waren es 2019 bereits 2.233. Niedrigere Zahlen der vergangenen Jahre sind auf Auswirkungen der Pandemie und ihre Maßnahmen zurückzuführen. 2023 wurden wieder 2.780 Fälle gemeldet.
Voitl warnt davor, Keuchhusten als "harmlose Kinderkrankheit" zu bezeichnen: "Das ist nicht wie bei einer Erkältung oder Grippe, dass die Hustenbeschwerden nach einer Woche abklingen oder sogar schon vorbei sind. Das geht wirklich über sechs bis acht Wochen. Und auch wenn es nicht lebensgefährlich wird, ist dieses Husten extrem belastend für den Organismus. Die Kinder schlafen nicht oder kaum - und die Eltern auch nicht."
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