Ausgebreitet hat sich der Infektionsherd von einer Schule aus, in der viele Kinder nicht geimpft waren. "Eine der Ausbruchsursachen ist sicherlich, dass während der Pandemie auf Auffrischungsimpfungen vergessen wurde", erklärt Rudolf Schmitzberger, Kinderarzt und Leiter des Referats für Impfangelegenheiten der österreichischen Ärztekammer. Diese sollten nun rasch nachgeholt werden. Auch Kerbl sieht in ausgelassenen Auffrischungsimpfungen - im Kindesalter werden diese oft über Schulen organisiert - einen Grund für den Ausbruch.
"Während der Pandemie hatten wir außerdem sehr wenige Keuchhustenfälle und jetzt sehen wir – wie bei allen Atemwegserkrankungen – einen Nachholeffekt." Kerbl hält es zudem für denkbar, dass "die Impfung nicht, wie bisher gedacht, über zehn Jahre voll wirksam ist". Bislang sei man davon ausgegangen, dass der Impfschutz rund zehn Jahre aufrecht ist. "Es könnte aber sein, dass der Schutz schon nach sechs bis sieben Jahren nachlässt und Ansteckungsmöglichkeiten entstehen."
➤ Mehr lesen: Keuchhusten-Epidemie: Ärzte in Kroatien schlagen Alarm
Grundsätzlich sei Keuchhusten jedenfalls ein österreichweites Phänomen, sagt Schmitzberger. "Es kann also überall im Land zu Ausbrüchen kommen." Allerdings, betont der Mediziner, treten Fälle von Pertussis, wie die hochansteckende Infektionskrankheit auch genannt wird, in den umgebenden Ländern der Steiermark – Slowenien und Kroatien etwa – stark gehäuft auf. Das könnte zu den stark steigenden Zahlen – alleine in Graz werden momentan rund 20 neue Fälle pro Tag diagnostiziert – beitragen.
Wer sollte sich wann impfen lassen?
Für die Bevölkerung sollten die aktuellen Entwicklungen Anlass für einen prüfenden Blick in den Impfpass sein. Schmitzberger rät, sich gleich eine Kombinationsimpfung verabreichen zu lassen: Dabei handelt es sich um eine 4-fach-Impfung zur Auffrischung des Impfschutzes gegen Tetanus (Wundstarrkrampf), Diphtherie, Kinderlähmung (Poliomyelitis) und eben auch Keuchhusten (Pertussis).
➤ Mehr lesen: Welche Krankheiten durch Impflücken wieder auftreten
Das empfohlene Impfschema sieht bei Keuchhusten eine Erstimpfung im Säuglingsalter (im kostenlosen Kinderimpfprogramm enthalten) vor. "Die erste Auffrischung sollte dann spätestens in der Volksschule, am besten schon im Alter von fünf bis sechs Jahren erfolgen", sagt Schmitzberger. Erwachsene sollten sich alle zehn Jahre boostern lassen, Senioren ab 60 alle fünf Jahre.
Was sind die Symptome und wie wird behandelt?
Keuchhusten wird hauptsächlich durch das Bakterium Bordetella pertussis verursacht und durch Tröpfcheninfektion übertragen. In der Anfangsphase der Infektion können Erkältungssymptome wie Schnupfen, Husten, Schwächegefühl oder eine Bindehautentzündung auftreten. Danach beginnt die eigentliche Phase der Husten-Erkrankung, dem die Krankheit ihren Namen verdankt. "Charakteristisch sind schwere, quälende und vor allem langandauernde Hustenanfälle und allgemein stakkatoartiger Husten, der anfallartig auftritt", beschreibt Schmitzberger. Behandelt wird mittels Antibiotika. In der mehrwöchigen Erholungsphase klingen die Hustenattacken allmählich ab. Noch monatelang können aber kalte Luft oder körperliche Anstrengung Reizhusten auslösen.
Für wen ist Keuchhusten besonders gefährlich?
Für Säuglinge kann die Krankheit mit einem Atemstillstand lebensbedrohlich verlaufen. An den Komplikationen stirbt eines von 1.000 Kindern. "Für kleine Babys ist die Erkrankung deshalb so gefährlich, weil sie keine Immunität besitzen und extrem empfänglich für den Erreger sind", sagt Kerbl. Bei Säuglingen löst dieser nicht nur Husten aus, sondern verursacht auch lange und bedrohliche Atempausen. "Die Kombination aus Husten und Atemaussetzern kann zum Tod führen."
Werdende Mütter können ihrem Baby über die Nabelschnur Abwehrstoffe für die ersten Monate mitgeben. Deshalb wird eine Auffrischungsimpfung gegen Keuchhusten zwischen der 27. Schwangerschaftswoche und der Geburt empfohlen.
Nicht nur für die Kleinsten ist Keuchhusten besonders gefährlich, auch ältere Menschen können schwer erkranken. Schmitzberger: "Durch einen aufrechten Impfschutz schützen die Kleinen die Großen, also die Enkel den Opa, und umgekehrt."
➤ Mehr lesen: "Mythos, dass man in der Schwangerschaft nicht impfen sollte"
Wie wird eine Infektion festgestellt?
Die Diagnose kann per PCR-Test erfolgen. Ein solcher Infektionsnachweis ist derzeit aber keine Kassenleistung und damit kostenpflichtig (50 Euro). "Das zu überdenken wäre durchaus empfehlenswert", sagt Schmitzberger. Auch Kerbl hält es für sinnvoll, die Erkrankung verstärkt nachzuweisen: "Wenn der Verdacht besteht und kein ausreichender Impfschutz vorhanden ist, ist eine Diagnose aus zwei Gründen ratsam: Erstens kann man dann den Kontakt zu Säuglingen vermeiden. Und zweitens kann man Antibiotika frühzeitig einnehmen und den Erreger rasch beseitigen – ansonsten verteilt man ihn mitunter wochenlang und bleibt infektiös."
Kommentare