Uneinheitliches Bild
Was genau provoziert nun also mancherorts den Rückgang bei den Neuinfektionen – und damit möglicherweise auch das rasche Abflauen der vierten Welle? "Das ist pauschal sehr schwierig zu beantworten", schickt Francesco Cardona, Epidemiologe und Neonatologe an der MedUni Wien, voraus. "Es hat sich gezeigt, dass sich steigende Zahlen quasi überall auch immer in einer Verhaltensänderung widerspiegeln. Die Bevölkerung wird vorsichtiger, allein das kann Ansteckungen verhindern." Einschränkende Maßnahmen im Alltag (Maskenpflicht, Abstandregeln, etc.) tragen ebenfalls dazu bei und sind in vielen Ländern nach wie vor in Kraft.
Eine These, die auf alle Nationen mit grassierender Delta-Mutation (infektiöser als frühere Varianten) zutreffen könnte: Je ansteckender ein Virus, desto schneller durchseucht es den Pool an verfügbaren Wirten – und verschwindet auch entsprechend rasch wieder. Zwar könne diese Theorie den Infektionsrückgang in manchen Ländern miterklären, "global gesehen gibt es aber immer noch ein riesiges Reservoir an für das Virus empfänglichen Menschen".
Um eine Trendwende im Infektionsgeschehen als solche benennen zu können, müsse ohnehin erst geklärt werden, "ob es sich um ein reales Sinken oder ein Sinken aufgrund niedriger Testraten handelt". Für alle genannten Nationen sei vorstellbar, dass die Zahlen nach einem Knick wieder steigen. In Großbritannien bleibt laut Cardona zudem abzuwarten, ob sich die Öffnungsschritte Mitte Juli nicht doch noch in steigenden Zahlen manifestieren.
Ähnliche Verläufe
Auffallend sei, "dass die epidemiologischen Kurven in vielen Ländern doch annährend parallel verlaufen". Hier könnte der globale Reiseverkehr eine Rolle spielen, ebenso wie die Tatsache, "dass es seit Beginn der Pandemie große Infektionsbewegungen gibt, die selbst durch Restriktionen auf Landesebene schwierig zu steuern scheinen". Nur sehr strenge Maßnahmen – siehe Australien oder Neuseeland – seien sehr gut geeignet, große Infektionsbewegungen einzudämmen
In Großbritannien wirken laut Cardona allerdings jedenfalls bereits die Immunisierungseffekte, vor allem durch die Impfung und zu einem kleineren Teil durch Genese, zusammen. "In der Altersgruppe der Über-40-Jährigen verfügen schon über 90 Prozent über einen gewissen Schutz." Zuletzt wurden dort über eine Million Menschen vorsorglich in Corona-Quarantäne geschickt. Auch in der breiten Isolation von Kontaktpersonen und guten Contact Tracing sieht er eindämmendes Potenzial.
In den USA steigen die Infektionszahlen derzeit, vor allem im impfskeptischen Süden. Der oberste Immunologe des Landes, Anthony Fauci, spricht bereits von einer "Pandemie der Ungeimpften". Die Impfung ist und bleibe der wichtigste Schlüssel zur Eindämmung der Pandemie, sagt Cardona: "Wer glaubt, dass wir es ohne hohe Durchimpfungsrate – und wir reden hier von weit über 80 Prozent – hinbekommen, irrt."
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