Vier Faktoren, die anfälliger für Long Covid machen
Noch ist es ein Mysterium, warum manche, die sich mit Covid-19 infizieren, noch Monate nach dem Abklingen ihrer Infektion unter körperlichen, neurologischen oder kognitiven Symptomen leiden, während andere nicht betroffen sind. Das als Long Covid bekannte Syndrom tritt bei zehn bis 20 Prozent aller Corona-Infizierten auf, meist vier bis zwölf Wochen nach überstandener Infektion. Dabei spielt es keine Rolle, ob die eigentliche Infektion mild oder schwer verlaufen ist.
Am häufigsten kommt es zu körperlicher und kognitiver Erschöpfung, was sich etwa in Schwierigkeiten bei Konzentration und Merkfähigkeit, Kreislaufproblemen, Gelenkschmerzen, Atemnot und Verdauungsstörungen zeigt. Viele beschreiben den sogenannten "Brain Fog", einen Gehirn-Nebel, der die Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit meint.
Eine aktuelle Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Cell, zeigt nun, bei welchen Menschen langanhaltende Symptome wahrscheinlicher sind. Amerikanische Forscher der University of Washington, des Institute for Systems Biology und des Swedish Medical Center in Seattle untersuchten 209 Patientinnen und Patienten im Alter von 18 bis 89 Jahre über zwei bis drei Monate nach ihrer Covid-Diagnose. Sie fanden vier biologische Faktoren, die helfen könnten, vorherzusagen, ob eine Person Long Covid entwickeln wird.
Die vier Faktoren
- Der Gehalt an Virus-RNA im Blut zu Beginn der Infektion. Er ist ein Indikator für die Viruslast, die sich im Körper befindet und ist laut der Studie der einflussreichste Faktor, mit dem zwei Drittel der Fälle von Long Covid in Verbindung gebracht wurden. Ein Ansatz ist, Patientinnen und Patienten, die den Faktor der hohen Viruslast erfüllen und damit eine hohe Wahrscheinlichkeit für Long Covid haben, schon früh Medikamente zu verabreichen, die eine Virenvermehrung hemmen (Virostatika).
- Das Vorhandensein bestimmter Autoantikörper im Blut. Das sind Antikörper, die fälschlicherweise körpereigenes Gewebe angreifen. Der Vorgang ist vergleichbar mit Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis führen. Je schneller es gelingt, das Virus zu eliminieren, desto geringer sei die Wahrscheinlichkeit, dass sich Autoantikörper bilden, die zu Long Covid führen, schreiben die Autoren. Die Studie lieferte zudem Hinweise, dass Personen mit höheren Autoantikörperspiegeln eher niedrigere Spiegel an schützenden Antikörpern gegen das Coronavirus hatten. Dadurch werde das Virus nicht gut ausgeschaltet, was wiederum Long Covid begünstigen könne.
- Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus. Mit dem Epstein-Barr-Virus infizieren sich 95 Prozent aller Menschen im Lauf des Lebens, überwiegend im Kindesalter. Bei den meisten bleibt die Infektion ohne Symptome und folgenlos. Das Virus bleibt dann inaktiv ein Leben lang im Körper. Bei manchen Erkrankungen kann es jedoch zu einer Reaktivierung kommen, was sich etwa in chronischer Müdigkeit, ähnlich Long Covid, zeigt. Neben Multipler Sklerose wird das Epstein-Barr-Virus auch mit Krebs sowie anderen Autoimmunerkrankungen in Zusammenhang gebracht. Bei einer Covid-Infektion könnte es wieder aktiviert werden und zu Long Covid beitragen.
- Eine Erkrankung mit Typ-2-Diabetes. Schon frühere Studien hatten belegt, dass Diabetes das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf erhöht. Die Erkrankung, bei der nicht genug Zucker aus dem Blut ins Gewebe gelangt, wodurch sie die Zuckerkonzentration im Blut erhöht, wird von den Studienautoren nun auch mit Long Covid in Zusammenhang gebracht. Sie gehen jedoch davon aus, dass neben Diabetes noch weitere Erkrankungen eine Rolle spielen könnten. Um dies festzustellen, bräuchte es aber eine größere Studie mit mehr Teilnehmern.
Long Covid wird "messbar"
37 Prozent der Studienteilnehmer hatten zwei oder drei Monate nach der Infektion drei oder mehr Long Covid-Symptome, weitere 24 Prozent berichteten über ein oder zwei Symptome. 39 Prozent hatten keine Symptome. Von jenen, die drei oder mehr Long Covid-Symptome hatten, wiesen 95 Prozent einen oder mehrere der vier in der Studie identifizierten biologischen Faktoren auf.
Die Forscher konnten einige der Ergebnisse der Studie in einer weiteren Gruppe mit 100 Patientinnen und Patienten bestätigen. Sie verglichen die Ergebnisse auch mit Daten von 457 gesunden Menschen.
Noch ist laut den Forschern nicht ganz klar, wie diese neuen Erkenntnisse in der Praxis genutzt werden können. Sie würden aber zeigen, wie wichtig es ist, diese Faktoren bereits früh im Krankheitsverlauf zu erheben, meinte Jim Heath, Hauptautor der Studie. "Sobald Sie etwas messen können, können Sie möglicherweise etwas dagegen unternehmen. Wir haben diese Analyse durchgeführt, weil wir wissen, dass Patienten zu Ärzten gehen und sagen, dass sie müde sind die ganze Zeit oder was auch immer, und der Arzt sagt ihnen nur, dass sie mehr Schlaf brauchen. Das ist nicht sehr hilfreich, sagte Heath gegenüber der New York Times. Dass nun Faktoren messbar seien, die Long Covid Patientinnen und Patienten zumindest zum Teil gemeinsam haben, belege jedenfalls, dass ein Krankheitsbild vorliegt.
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