Fast alle allergischen Covid-Impfreaktionen treffen Frauen
Fieber, Kopfweh oder gar Allergien – diese Impfreaktionen stehen seit Wochen im Mittelpunkt, wenn über die Corona-Impfung diskutiert wird. Ein Aspekt, der sich bei der Datenauswertung regelrecht aufdrängt, bleibt jedoch meistens unerwähnt: Frauen reagieren deutlich häufiger und heftiger auf diese Impfungen als Männer.
Erhebungen aus den USA belegen das eindrucksvoll: So gut wie alle allergischen Reaktionen auf die Impfung traten bei Frauen auf. Bei Moderna waren ausschließlich Frauen betroffen, bei Pfizer waren es 94 Prozent. Auch bei milderen Reaktionen zeichnet sich der Unterschied klar ab: Fast 80 Prozent der gemeldeten Reaktionen fielen auf Frauen, während sie im Vergleich nur 62 Prozent der Impfungen erhielten – so die Zahlen der Centers for Disease Control and Prevention (CDC).
Die Autoren führen dieses starke Ungleichgewicht zwar an, kommentieren es aber nicht, kritisiert der Mediziner Thomas Moore von der Boston University in einem Kommentar zur Veröffentlichung: „Mir ist bewusst, dass Anaphylaxien bei Frauen häufiger auftreten. Aber nicht in diesem Ausmaß. Das sollte weiterhin beobachtet werden.
Keine genauen Daten aus Österreich
Eine geschlechterspezifische Auswertung der in Österreich Geimpften mit allergischen Reaktionen steht zur Zeit nicht zur Verfügung, teilte das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen auf KURIER-Anfrage mit.
„Frauen sind insgesamt stärker von Allergien betroffen. Egal ob bei Asthma, Heuschnupfen, Nahrungsmitteln oder eben Arzneimitteln“, erklärt Alexandra Kautzky-Willer, Leiterin der Abteilung Gender-Medizin an der MedUni Wien. Und woher kommt dieser geschlechterspezifische Unterschied?
„Das hängt wohl mit den Sexualhormonen zusammen, denn vor der Pubertät treten Allergien beim männlichen Geschlecht öfter auf. Die dominanten weiblichen Hormone – Östrogen und Progesteron – kurbeln die Immunantwort an. Die Ausbildung von Antikörpern wird zum Beispiel angeregt. Das dominant männliche Hormon Testosteron dämpft die Immunreaktion eher“, schildert die Medizinerin.
Kritik an Zulassungsstudien
Die Zulassungsstudien der Corona-Impfstoffe schließen zwar Frauen und Männer in gleichem Maß mit ein – was in der Forschung die längste Zeit nicht so war – „aber die Nebenwirkungen wurden nicht ausreichend nach den Geschlechtern getrennt untersucht“, kritisiert die Immunologin Sabra Klein von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in der New York Times. Und dabei könnte eine genauere Auswertung sogar Vorteile bringen: „Es wurde auch nicht getestet, ob eine niedrigere Impfdosis für Frauen ebenso wirksam sein, aber weniger Nebenwirkungen bedeuten könnte“, so Klein.
Diese geschlechterspezifischen Unterschiede in puncto Allergien und Immunsystem sind in der Medizin nicht unbekannt. Wieso wird auf solche Unterschiede dann in Zulassungsstudien nicht gleich Rücksicht genommen, indem zum Beispiel niedrigere Dosierungen für Frauen getestet werden?
„Das ist eine gute Frage“, sagt Kautzky-Willer. „Momentan sind wahrscheinlich alle froh, dass es überhaupt einen zugelassenen Impfstoff gibt. Aber es ist jetzt ganz wichtig, dass diese Untersuchungen nicht auf der Strecke bleiben“, fordert sie.
Personalisierte Untersuchung gefordert
Aber nicht nur Daten zur Anpassung der Impfdosis sind wichtig, auch der optimale Abstand zwischen den Teilimpfungen oder wie lange der Impfschutz anhält sollte personalisiert - am besten nach Geschlecht und Alter - untersucht werden. Denn am stärksten falle die Reaktionen bei jungen Frauen im reproduktionsfähigen Alter aus, „auch der individuelle Hormonspiegel macht einen Unterschied“, so Kautzky-Willer.
Wesentlich seien auch Daten zu Impfungen bei Schwangeren, da in der Schwangerschaft besonders schwere Verläufe mit höherem Risiko für Mutter und Kind auftreten. "Zumindest beim Pfizer Impfstoff läuft hier eine Studie und erste Berichte von Impfungen bei Schwangeren sind vielversprechend", sagt die Medizinerin.
Aber nicht nur bei den Impfungen, sondern auch bei den Langzeitfolgen nach einer Corona-Erkrankung – wie psychischen oder neurologischen Störungen – gilt es laut der Expertin genau auf Unterschiede zu achten. "Frauen sind wahrscheinlich auch hier mehr betroffen", sagt sie.
Eine gute Nachricht noch zum Schluss: dass Frauen heftigere Immunreaktionen haben, kann ein Nachteil bei der Impfung, aber ein Vorteil bei der Erkrankung sein - denn ihr Risiko für eine schwere Erkrankung ist dadurch auch ohne Impfung schon geringer. Und auch die Impfreaktion zeige möglicherwiese einen besonders guten Schutz, so der Hinweis der Expertin.
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