EU-Arzneimittelagentur empfiehlt Zulassung des Alzheimer-Medikaments Leqembi
Die Europäische Arzneimittelagentur EMA spricht sich jetzt doch für eine - begrenzte - Zulassung des Medikaments Leqembi (Lecanemab) zur Behandlung von leichter kognitiver Beeinträchtigung (Gedächtnis- und Denkstörungen) oder leichter Demenz als Folge einer frühen Alzheimer-Krankheit aus. Nach erneuter Prüfung seines ursprünglichen Gutachtens hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA empfohlen, die Genehmigung bei jenen Patientinnen und Patienten zu erteilen, die nur eine oder keine Kopie des Gens für das Protein Apolipoprotein E4 haben. Das teilte die EMA am frühen Donnerstagabend in einer Aussendung mit.
Bei dieser Patientengruppe sei das Risiko von schwerwiegenden Nebenwirkungen durch das Medikament - konkret Schwellungen und mögliche Blutungen im Gehirn - deutlich geringer als bei Menschen mit zwei Kopien dieses speziellen Gens. Im Juli dieses Jahres hatte sich der Ausschuss gegen eine Zulassung ausgesprochen, die US-Gesundheitsbehörde FDA hingegen für eine Zulassung. Auch in Großbritannien ist das Medikament bereits zugelassen.
Das Apolipoprotein E (ApoE) beliefert die Gehirnzellen mit wichtigen Nährstoffen. Es kommt beim Menschen in einer von drei Varianten vor. Das Alzheimerrisiko steigt bei der Variante ApoE4 deutlich an. Etwa 15 Prozent der Menschen haben diese genetische Variante.
Wie Leqembi genau wirkt
Der Antikörper Lecanemab, der unter dem Namen Leqembi vermarktet wird, wird das erste Medikament in der EU sein, das direkt die neurodegenerative Erkrankung und nicht nur deren Symptome behandelt. Leqembi zielt darauf ab, das Fortschreiten von Alzheimer zu verlangsamen. Lecanemab - entwickelt von den Pharmaunternehmen Eisai (Japan) und Biogen (USA) - entfernt die für Alzheimer charakteristischen Ablagerungen von Eiweiß-Partikeln (Beta-Amyloid), die mit der Zerstörung der Nervenzellen in Verbindung gebracht werden. Alle 14 Tage erhalten die Patienten eine rund einstündige intravenöse Infusion.
Leqembi verlangsamte in der Zulassungsstudie die Verschlechterung der Merk- und Denkfähigkeit um etwa fünf Monate. "Der klinische Effekt ist, dass es zu einer Verlangsamung der Verschlechterung kommt – und zwar um ca. 30 Prozent", erklärte die Neurologin und Alzheimer-Spezialistin Elisabeth Stögmann im September in einem KURIER-Interview. Sie leitet die Ambulanz für Gedächtnisstörungen und Demenzerkrankungen an der MedUni Wien. "Die Krankheit wird also weniger schnell schlechter. Ich denke, es muss erst ankommen bei den Menschen, was das für neurodegenerative Erkrankungen bedeutet: einen großen Benefit."
Der Ausschuss der EMA kam zu dem Schluss, dass in der eingeschränkten Patientengruppe, die bei einer erneuten Prüfung untersucht wurde, der Nutzen von Leqembi bei der Verlangsamung des Fortschreitens der Krankheitssymptome größer ist als seine Risiken. Bei der Entscheidung im Juli 2024 seien hingegen nur Daten zu einer breiteren Patientengruppe vorgelegen, in der die Risiken den Nutzen überwogen hätten.
Das Gutachten des EMA-Ausschusses wird jetzt an die EU-Kommission weitergeleitet, die dann endgültig über die Zulassung entscheidet und dabei aber in der Regel den Empfehlungen der EMA folgt. Die endgültige Entscheidung der EU-Kommission gilt als Formsache.
In den USA ist unterdessen bereits ein zweites Medikament zugelassen, dass den Krankheitsverlauf von Alzheimer verzögern kann. Auch der Antikörper Donanemab (Markenname Kisunla) entfernt die für Alzheimer charakteristischen Ablagerungen von Eiweiß-Partikeln (Beta-Amyloid) im Gehirn, die mit der Zerstörung der Nervenzellen in Verbindung gebracht werden. Beide Präparate können Alzheimer aber nicht heilen, sondern nur den Verlauf verlangsamen.
"Es sind sicher keine Wundermittel und sie werden auch nur für einen Teil der Alzheimer-Patienten geeignet sein, man darf also auch keine zu großen Erwartungen wecken", sagte der Neurologe und Alzheimer-Spezialist Peter Dal-Bianco nach der US-Zulassung dieses zweiten Medikaments. "Dennoch sind diese Medikamente ein riesiger Fortschritt und wir sehen eindeutig einen klinischen Effekt, wenn sie sehr früh im Krankheitsverlauf eingesetzt werden."
Kommentare