In Europa wurde ursprünglich bereits für das heurige Frühjahr eine Zulassung von Lecanemab durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA erwartet. Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft sei mit einer Entscheidung jetzt "allerdings erst im Frühjahr 2025 zu rechnen". Ähnlich wie in den USA wird auch in Europa damit gerechnet, dass erst danach eine Entscheidung über die Zulassung von Donanemab zu erwarten ist - auch der Antrag auf Zulassung erfolgte bei Donanemab zu einem etwas späteren Zeitpunkt (August 2023 bei Donanemab, Jänner 2023 bei Lecanemab).
"Warum Lecanemab in der EU noch nicht zugelassen ist, verstehe ich nicht, denn die Datenlage ist sehr fundiert und valide, ebenso wie auch bei Donanemab", sagt der Neurologe und Alzheimer-Spezialist Peter Dal-Bianco, Ehrenpräsident der Österreichischen Alzheimer-Gesellschaft. "Es sind sicher keine Wundermittel und sie werden auch nur für einen Teil der Alzheimer-Patienten geeignet sein, man darf also auch keine zu großen Erwartungen wecken. Dennoch sind diese Medikamente ein riesiger Fortschritt und wir sehen eindeutig einen klinischen Effekt, wenn sie sehr früh im Krankheitsverlauf eingesetzt werden." Denn erstmals sei es möglich, mit einer zielgerichteten Therapie den kognitiven Abbau zu verlangsamen. Die Zulassungsstudien zeigten einen positiven Effekt auf die kognitiven Fähigkeiten, die Alltagskompetenz und auch die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten sowie ihrer Bezugspersonen.
Lecanemab muss alle 14 Tage, Donanemab einmal im Monat intravenös verabreicht werden.
Bei der deutschen Initiative "Alzheimer Forschung" wird die Zulassung in den USA für die Forschung als ein weiterer Schritt in die richtige Richtung" gesehen, für die vielen Alzheimer-Patientinnen und -Patienten sei sie aber "leider kein großer Durchbruch". Denn es sei unklar, ob eine Verzögerung des Krankheitsverlaufs von vier bis sieben Monaten "für die Betroffenen selbst überhaupt spürbar ist".
Neurologe Dal-Bianco sieht es positiver: "'Wie sich die Verzögerung des Krankheitsverlaufs im Alltag tatsächlich auswirken wird, wird die Erfahrung zeigen. Aber dass es messbare Effekte auf die geistige Leistungsfähigkeit gibt, ist eindeutig." Bei Donanemab komme noch hinzu, dass der positive Effekt auch dann erhalten blieb, wenn das Präparat abgesetzt wurde, sobald kein Beta-Amyloid mehr nachweisbar war.
Um Nebenwirkungen wie Schwellungen oder Blutungen des Gehirns weitgehend zu vermeiden bzw. frühzeitig zu erkennen, werde es notwendig sein, die Eignung jedes einzelnen Patienten für diese Therapie genau zu prüfen und Risikopatienten - etwa solche mit einer bestimmten genetischen Veranlagung für die Alzheimer-Krankheit - auszuschließen. "In den ersten sechs Monaten müssen die Patientinnen und Patienten engmaschig überwacht werden und sollten die Therapien auch nur in spezialisierten Zentren verabreicht werden."
Fazit für den Neurologen: "Die neuen Medikamente werden für einige Patienten etwas bringen, für andere hingegen nichts und könnten für sie sogar gefährlich werden. Aber alle Menschen mit frühen Symptomen sollten eine rasche Diagnose erhalten, weil es ja auch andere Therapiemöglichkeiten gibt."
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