Donanemab, Lecanemab: Was über die neuen Alzheimer-Mittel bekannt ist
Viele Rückschläge gab es in den vergangenen Jahrzehnten auf der Suche nach Wirkstoffen, die den Verlauf von Demenz-Erkrankungen bremsen können. Immer wieder gab es bei Studien mit neuen Substanzen Ergebnisse, die enttäuschend waren. Doch jetzt gab es innerhalb weniger Tage gleich zwei Erfolgsmeldungen: Die Antikörper Lecanemab (Handelsname Leqembi) und Donanemab können Alzheimer zwar nicht heilen und auch nicht bereits vorhandene Gehirnschäden reparieren und rückgängig machen. Aber sie können das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.
Doch macht sich das im Alltag tatsächlich bemerkbar? Wie groß ist das Risiko von Nebenwirkungen? Und wann ist damit zu rechnen, dass diese Medikamente in Österreich verfügbar sein werden? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was waren jetzt konkret die Anlässe in den vergangenen Tagen, die von vielen Forscherinnen und Forschern so positiv bewertet wurden?
Die Daten zu Lecanemab waren schon seit Ende des Vorjahres bekannt. In den USA wurde dem Wirkstoff am 6. Januar 2023 unter dem Handelsnamen Leqembi eine vorläufige Marktzulassung erteilt. Aber jetzt erfolgte in den USA die vollständige Zulassung für das Medikament. Bei Donanemab wiederum waren es neue Daten einer Phase-III-Studie (Zulassungsstudie), die im Fachjournal JAMA publiziert wurden. An dieser haben 1736 Menschen mit Alzheimer im Frühstadium teilgenommen, die durchschnittlich 73 Jahre alt waren. Über einen Zeitraum von 72 Wochen erhielt alle vier Wochen eine Gruppe eine Infusion mit dem Wirkstoff, eine zweite Gruppe jeweils eine monatliche Infusion mit einem Placebo. Regelmäßig wurden PET-Scans und MRT-Aufnahmen des Gehirns gemacht, Gedächtnis und Alltagsfähigkeiten getestet.
Wie wirken diese neuen Medikamente genau?
Bei einer Alzheimer-Demenz lagern sich im Gehirn kleine Eiweißpartikel (Beta-Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen) ab. Diese könnten dafür verantwortlich sein, dass immer mehr Gehirnzellen absterben. Donanemab und Lecanemab entfernen die Ablagerungen von Beta-Amyloid und sollen dadurch die Entwicklung der Krankheit verlangsamen. Am besten funktioniert das in einem möglichst frühen Krankheitsstadium, zeigen die neuen Daten.
Was unterscheidet die neuen Präparate von denen, die Alzheimer-Patientinnen und -Patienten bisher erhielten?
Leqembi gilt als das erste Medikament, das nachweislich den fortschreitenden Abbau geistiger Fähigkeiten verzögert (um 27 Prozent), der durch Alzheimer ausgelöst wird. Davor gab es in der medikamentösen Therapie der Alzheimer-Erkrankung keine Medikamente mit einer nachgewiesenen Wirkung, die auf die grundlegenden Mechanismen der Erkrankung einwirken.
"Die bisherigen Medikamente stimulieren die Hirnleistung, darüber hinaus können Begleiterscheinungen der Erkrankung, zum Beispiel eine Depression, behandelt werden. Lecanemab setzt dagegen an den für die Alzheimer-Krankheit charakteristischen Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn an", heißt es bei der Initiative "Alzheimer-Forschung".
Dasselbe wie für Lecanemab gilt auch für Donanemab, das laut den jüngsten Studienergebnissen den geistigen Abbau 76 Wochen nach Start der Therapie um bis zu 35 Prozent verlangsamen kann. Diese 35 Prozent (im Vergleich zu Placebo) trafen auf jene Patientinnen und Patienten zu, bei denen es nur eine niedrige bis mittlere Ablagerung von Tau-Proteinen im Gehirn gab - auch sie gelten als ein Auslöser von Alzheimer und können das Absterben von Gehirnzellen verursachen. In der gesamten Studiengruppe, in der auch Personen mit hohen Tau-Ablagerungen vorhanden waren, verlangsamte sich das Fortschreiten der Erkrankung nur um 22,3 Prozent.
Bei früheren Präparaten mit solchen Antikörpern konnte nicht nachgewiesen werden, dass sie die kognitiven Fähigkeiten der Patientinnen und Patienten verbessern.
Aber was bedeutet das konkret, im Alltag?
Anhand verschiedener Skalen wurden Sprach- und Gedächtnisfähigkeiten sowie auch körperliche Funktionen bewertet und gemessen. Dabei zeigte sich: In der Gruppe der Patientinnen und Patienten mit Donanemab verlangsamte sich das Fortschreiten von milder kognitiver Beeinträchtigung (MCI, mit völliger Selbstständigkeit im Alltag) zu einer leichten Demenz (Unterstützungsbedarf bei einigen täglichen Aktivitäten) um zirka viereinhalb Monate. Das Fortschreiten von einer leichten zu einer mittelschweren Demenz (Unterstützungsbedarf bei den täglichen Grundbedürfnissen) konnte um siebeneinhalb Monate hinausgeschoben werden - über einen Beobachtungszeitraum von insgesamt 18 Monaten.
Ob das dann aber auch außerhalb von Studien im Alltag einen wirklich merkbaren Unterschied ausmachen wird, wird von Expertinnen und Experten derzeit noch sehr unterschiedlich gesehen.
Sind die Ergebnisse von Donanemab jetzt besser als die des kürzlich in den USA zugelassenen Präparats Leqembi?
Das lässt sich nicht eindeutig sagen. Bei Leqembi verlangsamte sich die Verschlechterung der Merk- und Denkfähigkeit durch die Einnahme um etwa fünf Monate. Aber Donanemab und Leqembi sind nicht direkt in einer Studie miteinander verglichen worden. Und die beiden Studien für jeweils das eine oder andere Medikament unterscheiden sich in verschiedenen Punkten, weshalb ein direkter Vergleich nicht möglich ist.
Aber ist diese Verlangsamung des Fortschreitens von Alzheimer wirklich im Alltag bemerkbar?
Das wird unter Expertinnen und Experten heftig diskutiert. So sei der Effekt von Lecanemab "als eher moderat einzustufen", schreibt die Initiative Alzheimer-Forschung. "Es ist fraglich, wie stark dieser Effekt für Betroffene spürbar ist und ob er tatsächlich im Alltag einen Unterschied macht. Die Studie hat aber gezeigt, dass sich der verzögernde Effekt mit zunehmender Dauer der Wirkstoffeinnahme vergrößert hat. Das könnte heißen, dass eine Einnahme über den Zeitraum der bisher untersuchten 18 Monate hinaus die Wirksamkeit von Lecanemab noch erhöht. Weitere Studien müssen das untersuchen."
Positiver äußerte sich kürzlich im KURIER der Präsident der Österreichischen Alzheimer-Gesellschaft, Peter Dal-Bianco: Die Entwicklung von Leqembi sei eine "großartige medizinisch-technische Leistung", sagte Dal-Bianco. Großartig auch deshalb, "weil Patientinnen und Patienten wirklich davon profitieren, weil die Erkrankung gebremst wird".
Wie sieht es mit den Risiken aus?
Hirnschwellungen traten bei mehr als 40 Prozent der Patienten mit einer genetischen Veranlagung zur Alzheimer-Krankheit auf. In der gesamten Donanemab-Behandlungsgruppe waren es 24 Prozent. Zu Hirnblutungen kam es bei 31 Prozent der Studienteilnehmer in der Donanemab-Gruppe, verglichen mit etwa 14 Prozent in der Gruppe, die ein Placebo erhielten. Zudem wurden drei Todesfälle mit der Behandlung in Verbindung gebracht.
"Diese Nebenwirkungen sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden", sagte Studienleiterin Liana Apostolova, Professorin für Alzheimer-Forschung an der Indiana University School of Medicine, USA. Aber die meisten Fälle ließen sich durch Überwachung mit Magnetresonanztomographie (MRT) oder Absetzen des Medikaments in den Griff bekommen, Ärzte dürften voraussichtlich "sehr strenge MRT-Sicherheitsuntersuchungen während der Behandlung dieser Patienten vornehmen".
Bei Lecanemab traten insgesamt weniger Nebenwirkungen auf, als in Studien zuvor mit vergleichbaren Wirkstoffen. Bei 17 Prozent der Probandinnen und Probanden kam es zu Hirnschwellungen, die aber in den meisten Fällen symptomlos verliefen.
"Ob die Schäden dieser Medikamente durch ihren bescheidenen klinischen Nutzen aufgewogen werden, wird letztlich nur durch weitere Daten zu klären sein“, heißt es in einem Editorial im Fachjournal JAMA.
Wann könnte das erste dieser neuen Medikamente in Europa verfügbar sein?
Die Firma Eisai hat bereits Anfang des heurigen Jahres bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA einen Antrag auf Marktzulassung von Leqembi gestellt. Peter Dal-Bianco hielt kürzlich im KURIER-Interview eine Marktzulassung im ersten Quartal 2024 für realistisch. Auch andere Expertinnen und Experten sehen einen ähnlichen Zeithorizont. Länger dauern wird es mit Donanemab. Hier rechnet die Firma Eli Lilly Ende des Jahres zunächst mit einer Entscheidung über eine Zulassung in den USA. Ein Antrag auf Zulassung bei der EMA in Amsterdam wurde noch nicht gestellt.
Unabhängig von der Diskussion um die Medikamente: Lässt sich eigentlich tatsächlich vorbeugend durch Lebensstil-Änderungen das Alzheimer-Risiko senken?
Ja. "Bis zu 40 Prozent der Demenzerkrankungen könnten durch die Beachtung und Vermeidung von zwölf wichtigen Risikofaktoren verhindert werden", sagte die Demenzforscherin Elisabeth Stögmann von der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Wien im vergangenen September anlässlich des Welt-Alzheimertages. Dazu gehören bevölkerungsweite Faktoren wie der Zugang zu Bildung und das Ausmaß an Luftverschmutzung sowie individuelle Risikofaktoren wie Bewegungsmangel, Rauchen, Übergewicht und Bluthochdruck. Ältere Erwachsene, die sich sportlich betätigen, erhalten ihre kognitiven Fähigkeiten mit größerer Wahrscheinlichkeit als diejenigen, die sich nicht bewegen. Mehrere Studien berichteten übereinstimmend über ein erhöhtes Demenzrisiko in Verbindung mit Bluthochdruck, erhöhten Blutfetten und Adipositas in der Lebensmitte. Menschen, die sich an eine mediterrane Ernährung halten (wenig Fleisch und Milchprodukte, viel Obst, Gemüse und Fisch), haben weniger vaskuläre Risikofaktoren und eine insgesamt bessere kognitive Funktion. Seit einiger Zeit ist auch bekannt, dass es einen Zusammenhang zwischen sozialer Isolation und Demenz gibt.
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