Ablagerungen lassen Geisteskräfte schwinden
Beim Wirkstoff Lecanemab handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper, "der dafür gebaut ist, das Beta-Amyloid im Gehirn herauszufangen", erläutert Dal-Bianco. Beta-Amyloid ist Teil eines größeren Proteins, im gesunden Hirn werden diese Proteinstücke, die winzige Eiweißfäden sind, abgebaut. Bei Alzheimer verklumpen sie zu harten, unauflöslichen Ablagerungen, sogenannten Plaques. "Beim Beta-Amyloid handelt es sich also um Störenfriede im Gehirn, die den Informationsfluss der Nervenzellen behindern und zur Bildung der Plaques führen." Die Antikörper binden an den Eiweißfäden und lösen die Ablagerungen heraus.
Die Alzheimer-Krankheit, auch Alzheimer-Demenz genannt, ist die häufigste Form der Demenz. Eine Heilung gibt es nicht. Durch das Absterben von Nervenzellen im Gehirn werden Menschen mit Alzheimer zunehmend vergesslich, verwirrt und orientierungslos. Der genaue Entstehungsmechanismus ist bis heute nicht vollständig geklärt. Allerdings geht man davon aus, dass zwei Arten von krankhaften Eiweißablagerungen im Gehirn verantwortlich sind: Die bereits angesprochenen Plaques aus Beta-Amyloid und die Neurofibrillen aus dem Tau-Protein.
Diagnostiziert wird Alzheimer durch Gedächtnistests, neurologische und bildgebende Untersuchungen. Diese können erst vorgenommen werden, wenn die Patientinnen und Patienten mit ersten Symptomen zum Arzt kommen. Eine frühe Diagnose verschafft einen therapeutischen zeitlichen Vorsprung. Forschende arbeiten daher seit Jahren an einem Bluttest, die das Krankheitsrisiko Jahrzehnte im Voraus absehbar machen soll.
Leqembi verschafft Betroffenen Zeit
Die Entwicklung von Leqembi sei jedenfalls eine "großartige medizinisch-technische Leistung", sagt Dal-Bianco. Großartig auch deshalb, "weil Patientinnen und Patienten wirklich davon profitieren, weil die Erkrankung gebremst wird". Es verschafft Betroffenen Zeit: Bis zu fünf Monate können gewonnen werden.
In der Vergangenheit hatten bereits zwei andere Pharmahersteller einen ähnlichen Ansatz verfolgt. Auch ihre Präparate entfernten das Beta-Amyloid aus dem Gehirn. In den dazugehörigen Studien konnte jedoch nicht gezeigt werden, dass die Medikamente den klinischen Verlauf günstig beeinflussen.
Potenziell schwere Nebenwirkungen werden diskutiert
Die Hersteller betonen in der Beschreibung des Medikaments, dass es nur für milde und frühe Fälle der Erkrankung geeignet sei, bei denen die Betroffenen nachweislich Amyloid-Plaques im Gehirn haben und mit leichter kognitiver Beeinträchtigung kämpfen.
Die Verträglichkeit von Leqembi sei laut Dal-Bianco nun so weit geprüft, dass einem Einsatz beim Menschen nichts mehr im Weg steht. Allerdings hält auch er eine sorgfältige Auswahl der Patientinnen und Patienten für zentral. Insbesondere deshalb, weil in klinischen Studien vereinzelt schwere Nebenwirkung wie Hirnschwellungen und -blutungen aufgetreten sind. Todesfälle gab es keine. "Das ist auch weiterhin ein Thema", sagt Dal-Bianco. "Es gibt deshalb für die Therapieteilnahme sehr strenge Ein- und Ausschlusskriterien, damit es den Patientinnen und Patienten nutzt und nicht schadet." Vonseiten der Hersteller heißt es etwa, dass bei Patientinnen und Patienten mit Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium das Risiko den Nutzen überwiegen könnte.
Auch in Europa ist ein Antrag auf Marktzulassung gestellt worden. Es könnte nun schnell gehen, ist Dal-Bianco überzeugt. Er rechnet im ersten Quartal 2024 mit einer Zulassung. "Ich hoffe sehr darauf und halte das für realistisch. Natürlich unter der Auflage, dass damit genau die Patientengruppe behandelt wird, die dafür geeignet ist."
Weil man Alzheimer nun auch ursächlich bekämpfen könne, werde man Betroffenen umfassendere Linderung verschaffen können, resümiert Dal-Bianco. "Wir werden eine Kombination aus Symptom- und Ursachenbekämpfung anwenden können, wie es ja bei vielen anderen Krankheiten derzeit geschieht."
Kommentare