Die Nervenzellen im Gehirn stehen über elektrische Ströme miteinander in Kontakt. Je nach Gehirnaktivität verhalten sich diese Ströme anders. Für ein Routine-EEG sind bis zu 21 Elektroden notwendig, die meist in eine Art Haube eingearbeitet sind, heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN). Form, Frequenz und die Höhe der Wellen zeigen an, ob die Gehirnaktivität möglicherweise gestört ist. Die Untersuchung selbst verläuft ohne Schmerzen und ohne Risiken. Der Patient ist weder Strahlen noch elektromagnetischen Wellen ausgesetzt.
Wichtigstes Verfahren zur Epilepsie-Diagnose
"Das EEG ist das wichtigste Verfahren zur Diagnose und Verlaufskontrolle einer Epilepsie", sagt Schmidt. Die Elektroden zeigen auf, in welchem Teil des Gehirns ein epileptischer Anfall entspringt." Dies ist mittels einer Langzeit-EEG-Überwachung möglich. Ist die Ursprungszone der Anfälle dank der EEG-Überwachung lokalisiert und spricht der Patient auf medikamentöse Therapien nicht an, kann in bestimmten Fällen dieses Gehirnareal chirurgisch entfernt werden.
Bei Kindern und Jugendlichen können mithilfe des EEG eventuelle Entwicklungsstörungen festgestellt werden. "Eine wichtige Rolle nimmt das EEG auch zur Diagnose von Bewusstseinsstörungen wie einem Koma sowie bei der Feststellung des Hirntodes ein", wird bei der DGKN betont.
"Mit dem Schlaf-EEG wiederum kann die Gehirnaktivität während der verschiedenen Schlafstadien gemessen werden", so Schmidt. "Und mit einem EEG kann man auch erkennen, wie tief sich Patientinnen und Patienten in einer Narkose befinden."
Eine große Bedeutung hat das EEG aber auch für die Forschung. "Wie reagiere ich zum Beispiel auf bestimmte äußere Reize: Wie verändert sich die Gehirnaktivität, wenn ich Geld geschenkt bekomme? Oder wenn ich eine gewisse TV-Serie sehe? Gibt es hier spezielle Muster, die auch bei anderen Personen erkennbar sind?"
Gehirnimplantate: Schnittstelle von Elektroden zu Nervenzellen
Einen zumindest mittelfristig vielversprechenden Ansatz sieht Schmidt auch in Gehirnimplantaten wie jenen der Firma Neuralink des US-Milliardärs Elon Musk. 1024 implantierte Elektroden sollen es ermöglichen, dass nur durch die Kraft der Vorstellung ein Computer-Cursor gesteuert wird. Die Elektroden werden mit einer extrem feinen Nadel mit dem Gehirn verbunden. "Damit hat man eine direkte Verbindung zwischen den Elektroden und den Nervenzellen im Gehirn und kann dadurch gezielt trainieren, etwa einen Cursor zu steuern." Eine weitere Anwendung könnte die Steuerung von Prothesen über diese Elektroden/Neuronen-Verbindung sein.
Während derzeit vor allem die elektrischen Signale der Gehirnareale, die direkt unter der Schädeldecke liegen, abgenommen werden, könnten in Zukunft auch Elektroden in tieferen Gehirnregionen platziert werden, in denen Emotionen gesteuert werden. "Das könnte ein Ansatz für die Therapie von Depressionen sein."
Bei Parkinson wird so ein Verfahren bereits angewandt: Bei der tiefen Hirnstimulation (THS) senden ein oder zwei ins Gehirn eingesetzte Elektroden elektrische Impulse an Nervenzellen, die bestimmte Bewegungen beeinflussen. Dies kann Parkinson-Beschwerden lindern. "Systeme wie jenes von Neuralink mit 1024 Elektroden haben natürlich ein größeres Potenzial zur Stimulation des Gehirns. Das EEG und Verfahren, die darauf basieren, werden in Zukunft sicher eine noch größere Bedeutung bekommen."
Hans Berger selbst behielt seine Erkenntnisse jahrelang für sich und veröffentlichte sie erst 1929. Aber erst als der britische Nobelpreisträger Edgar Douglas Adrian in den 30er Jahren darauf aufmerksam machte, wurde er international bekannt. In der NS-Zeit war Berger SS-Fördermitglied und wirkte an Zwangssterilisationen mit.
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