Do-it-yourself-Plomben im britischen Corona-Lockdown

FRANCE-HEALTH-VIRUS
Patienten müssen sich in England während Pandemie behelfsmäßig selbst behandeln.

Das Zuckerl war schuld. Kurz nachdem Dominic Price es sich in den Mund gesteckt hatte, spürte er etwas Hartes: Eine Plombe war herausgefallen. Kein großes Problem - normalerweise. Doch das Malheur passierte zwei Tage nach Beginn der Corona-Ausgangssperren in Großbritannien.

"Ich habe meinen Zahnarzt angerufen", erzählt Price. "Und dann haben sich meine Befürchtungen bestätigt: Es gab keine Möglichkeit, mich behandeln zu lassen." Der Notdienst sei ausschließlich für Patienten, denen ein Zahn gezogen werden muss, wurde ihm mitgeteilt.

Arzt empfahl Google

Statt eines Termins gab die Praxis im südenglischen Salisbury Price den Tipp, sich selbst eine neue Füllung einzusetzen. Er solle doch googeln und sich im Internet ein Plomben-Set bestellen, lautete der Rat.

Price konnte es anfangs nicht glauben. "Aber so ist die Lage nun einmal", sagt er. Und Price ist nur einer von vielen Briten, die während des Lockdown notgedrungen selbst Zahnarzt spielen mussten.

Seine Frau Susie stopfte Price am Ende das Loch im Zahn mit dem bestellten Set. "Das war einfach anzuwenden und hat mir auch nicht allzu viel Angst gemacht", erzählt sie. "Auf der Packung stand, dass man spätestens 48 Stunden nach der Selbstbehandlung zum Zahnarzt gehen soll. Aber das geht ja im Moment nicht."

Viele Patienten hätten sich vergeblich um Termine in Notfallpraxen bemüht, sagt Len D'Cruz vom britischen Zahnärzteverband. "Und am Ende haben sie sich dann selbst behandelt, das ist wirklich beängstigend." Das sei der Rückfall "eines reichen Landes im 21. Jahrhundert ins viktorianische Zeitalter, wo die Patienten an sich selbst rummurksten", sagt D'Cruz.

Verschoben aus Angst

Nicht nur bei den Zahnärzten, auch in anderen medizinischen Fachbereichen fielen Arztbesuche aus, wurden verschoben oder aus Furcht vor Ansteckung vermieden. Manche schwere Krankheiten wurden vermutlich zu spät erkannt und behandelt, was die Zahl der Pandemie-Opfer noch erhöhen wird. In Großbritannien sind bisher rund 40.000 Menschen an oder mit dem neuen Coronavirus gestorben. Nur in den USA gibt es noch mehr Todesopfer.

Nach zwei Monaten Lockdown dürfen Zahnarztpraxen und andere medizinische Einrichtungen in Großbritannien kommenden Montag wieder öffnen. Es gelten strenge Regelungen zum Schutz vor Ansteckungen. Der Zahnärzteverband befürwortet die Wiedereröffnung, befürchtet aber, dass durch die Schutzmaßnahmen bis zu zwei Drittel weniger Patienten behandelt werden könnten.

Noch mangelt es in vielen Praxen an der notwendigen Schutzkleidung. Doch das Gesundheitsministerium will rechtzeitig Abhilfe schaffen. Es werde "rund um die Uhr daran gearbeitet, dass die Mitarbeiter an vorderster Front im Gesundheitswesen die erforderliche Schutzausrüstung bekommen", heißt es aus dem Ministerium.

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