Warum haben Menschen mit Depressionen eine höhere Körpertemperatur?

Eine Frau greift sich auf den Kopf.
Menschen mit Depressionen haben eine höhere Körpertemperatur. Für die psychische Gesundheit könnte es von Vorteil sein, diese im Zuge einer Therapie zu senken.

37 Grad Celsius – mit diesem Wert normte der deutsche Internist Carl Reinhold August Wunderlich im Jahr 1852 die durchschnittliche Normaltemperatur des menschlichen Körpers. In den vergangenen Jahren haben Forschungen immer wieder ergeben, dass die Körpertemperatur des Menschen tendenziell minimal abnimmt. 

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Steht erhöhte Körpertemperatur mit depressiven Symptomen in Zusammenhang?

Bei Menschen, die an Depressionen leiden, könnte sie jedenfalls über dem Durchschnitt liegen, wie US-Forschende in einer neuen Untersuchung nun darlegen konnten.

Zwar konnten die Autorinnen und Autoren in der Studie aus dem Fachjournal Scientific Reports nicht belegen, dass Depressionen die Körpertemperatur erhöhen – oder ob gar eine höhere Temperatur eine Depression verursachen kann. Unklar ist nach wie vor auch, was ursächlich für die erhöhte Temperatur ist – etwa eine verminderte Fähigkeit zur Selbstkühlung, eine erhöhte Wärmeerzeugung durch Stoffwechselprozesse oder eine Kombination aus beidem.

In der Analyse der Daten von mehr als 20.000 internationalen Probandinnen und Probanden zeigte sich aber eindeutig, dass Personen mit zunehmendem Schweregrad ihrer Depression eine höhere Körpertemperatur aufwiesen.

Umfassende Messungen lieferten präzise Ergebnisse

Zur Datenerhebung stattete man die Teilnehmenden mit Geräten zur Messung der Körpertemperatur aus, die direkt am Körper getragen werden musste. Tägliche Selbstauskünfte zu Körpertemperatur und Depressionssymptome komplettierten das Messinstrument. Die siebenmonatige Studie begann Anfang 2020 und umfasste Daten aus 106 Ländern.

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Es offenbarte sich nicht nur ein Zusammenhang zwischen Temperatur und Stimmung: Aus den Daten ließ sich auch eine Tendenz zu höheren Depressionswerten bei Personen ausmachen, deren Körpertemperatur während eines 24-Stunden-Zeitraums weniger schwankte.

Probleme mit der Thermoregulation

Verschiedene Studien haben in der Vergangenheit bereits gezeigt, dass Menschen mit Depression Schwierigkeiten haben, ihre Körpertemperatur nach unten zu regulieren. In der Vergangenheit wurden auch immer wieder Hinweise darauf gefunden, dass die Beeinflussung der Körpertemperatur vorteilhaft fürs Wohlbefinden sein könnte – indem sich depressive Personen gezielt Hitzereizen aussetzen, in der Sauna, der Infrarot-Kabine oder einem Whirlpool beispielsweise.

Die neuen Erkenntnisse könnten Aufschluss darüber geben, warum diese Ansätze wirksam sind: Möglicherweise indem der Körper zur Selbstkühlung angeregt wird, beispielsweise durch Schwitzen. "Ironischerweise kann die Erwärmung des menschlichen Organismus tatsächlich zu einer Absenkung der Körpertemperatur führen, die länger anhält als die direkte Abkühlung durch ein Eisbad", wird Ashley Mason, Studienleiterin und Psychiaterin an der University of California, San Francisco, in einer Aussendung zur Studie zitiert. Und sie spinnt den Gedanken weiter: "Was wäre, wenn wir die Körpertemperatur von Menschen mit Depressionen verfolgen könnten, um wärmebasierte Behandlungen gut zu timen?"

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Mason weiter: "Meines Wissens ist das die bisher größte Studie, die den Zusammenhang zwischen der Körpertemperatur – die sowohl mit Selbstauskünften als auch mit tragbaren Sensoren gemessen wurde – und depressiven Symptomen in einer geografisch breit gefächerten Stichprobe untersucht". Neue Behandlungsansätze, wie etwa Wärmebehandlungen, für depressive Patientinnen und Patienten zu entwickeln sei angesichts der weltweit steigenden Depressionsraten jedenfalls essenziell. 

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