Deren drei Grundprinzipien umfassen "spezielle Atemübungen, das Training der geistigen Haltung und einen sich allmählich steigernden Kontakt mit Kälte durch Eisbäder", schildert Sonja Flandorfer, die als einzige Instruktorin Österreichs Kurse nach Wim Hof anbietet. Das soll Menschen "widerstandsfähiger" machen. Krankmachende Entzündungen und Schmerzen reduzieren, die Abwehrkräfte stärken, bei Diabetes, Krebs, Autoimmunerkrankungen und Arthritis unterstützen – sowie bei psychischen Krankheiten, darunter Angstzustände oder Depressionen, helfen.
Kritischer Blick
Der klinische Psychologe Anton-Rupert Laireiter von der Universität Salzburg zeigt sich zwiegespalten: "Wenn der Mensch einem starken Reiz, etwa Kälte, ausgesetzt ist, wird er aus dem negativen Gedankenkreis, wie er etwa bei Depressionen zu beobachten ist, gerissen. Man muss den Schmerz bewältigen, lenkt die Konzentration auf den Körper. Das kann aus psychologischer Sicht wirksam sein. Interessant ist auch, dass gerade Menschen mit Depressionen oder Angststörungen häufig auch Probleme in der Thermoregulation haben. Auch hier könnte ein Training mit Kältereizen also durchaus sinnvoll sein. Wichtig ist, dass solche Verfahren anerkannt und in kontrollierten Vergleichsstudien als wirksam überprüft worden sind." Ein Manko der Wim-Hof-Methode.
Dass man "Kälte therapeutisch einsetzen kann", steht für Wolfgang Marktl, Präsident der Wiener Internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin, "außer Zweifel": "Gute Daten gibt es bei Gelenkserkrankungen und chronisch entzündlichen Erkrankungen, die in Kältekammern unter Einsatz extremer, dosierter Kältereize behandelt werden." Auch bei Schlafstörungen könne ein Training der Thermoregulation hilfreich sein, ebenso bei Erkrankungen des Bewegungsapparates. "Wenn eine Methode als ideologisch anmutende Breitbandtherapie für alle möglichen Krankheitsbilder gepriesen wird, ist das aber nicht glaubhaft."
Meister der Kälte
Als Beweis für seine Technik sieht Hof seine skurrilen Kälterekorde. Darunter jenen für das längste Eisbad, den er mehrmals selbst gebrochen hat. Zuletzt im Jahr 2011, als er eine Stunde, 52 Minuten und 42 Sekunden bis zum Hals in Eiswasser ausharrte. 2009 lief der Extremsportler – barfuß – bei knapp minus 20 Grad Celsius einen Halbmarathon über den Polarkreis. Im selben Jahr erklomm er, in Shorts und Schuhen, innerhalb von zwei Tagen den Gipfel des Kilimandscharo. Sein erstes Eisbad wagte er im Alter von 17 Jahren. Damals sprang er noch aus purem Jux bei Minusgraden ins Amsterdamer Kanalwasser – und lernte "die Kälte lieben", wie er heute sagt.
Hof behauptet, er könne mit seiner Methode sein autonomes Nervensystem, das unbewusste, lebenswichtige Körperfunktionen wie Atmung und Herzschlag steuert, beeinflussen. In einer Selbststudie konnte er demonstrieren, dass er seine Hauttemperatur im Eiswasser konstant warmhalten kann. 2011 ließ er sich an der niederländischen Radboud Universität Kolibakterien spritzen – ohne, dass er eine Krankheitsreaktion entwickelte. Laut einer anderen Untersuchung, die 2014 im Fachblatt PNAS erschien, erreicht Hof durch Hyperventilation einen Anstieg der Adrenalinausschüttung seines Körpers, seiner Pulsfrequenz und eine Veränderung des pH-Wertes seines Blutes. Dadurch soll er sein Immunsystem und Entzündungsreaktionen steuern können.
Auf Hofs Selbsttests folgten breitere Studien: Eine Studie an der Klinik Den Haag kam 2014 zum Schluss, dass eine Gruppe von zwölf Probanden, die die Wim-Hof-Methode praktizieren, resistenter auf Endotoxine reagierte als eine nichttrainierte Vergleichsgruppe.
Abhärten durch Adrenalin
"Grundsätzlich ist es plausibel, dass man es durch solche Manöver schafft, den Körper durch Adrenalin in eine Stresssituation zu versetzen", sagt Michael Fischer, Professor für Molekulare Physiologie an der MedUni Wien. Als Beispiel nennt er die Atmung, "beziehungsweise im Fall von Wim Hof das Abatmen von CO₂". Das freigewordene Adrenalin stößt die Bildung schmerzhemmender Substanzen, unter anderem Endorphine, an; der ansonsten unerträgliche Schmerz im Eiswasser wird aushaltbar. Dieser physische Mechanismus greift sonst nur in lebensbedrohlichen Situationen.
Nachdem Hof seinen Schützlingen den Sprung ins kalte Wasser gelehrt hat, nimmt er selbst Anlauf – und landet Sekunden später per Salto im Lake Tahoe. Für Flandorfer wichtig: "Kälte ist per se kein Allheilmittel. Ihre therapeutische Kraft ist aber enorm. Kälte bedeutet Stress für den Körper. Wenn man lernt, sie auszuhalten, kann das für Herausforderungen des Alltags wappnen."
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