Daumen eines 13-jährigen nach Unfall erfolgreich replantiert

Daumen eines 13-jährigen nach Unfall erfolgreich replantiert
Am 2. Jänner verlor ein Bub durch die Explosion eines Feuerwerkskörpers drei Finger. Der Daumen konnte gerettet werden.

„Ich bin froh, dass mein Sohn noch lebt“, sagt Hirije A. Der 13-Jährige B. spielte am 2. Jänner mit Freunden im Hof ihrer Wohnhausanlage in Wien. Dabei fanden sie einen Feuerwerkskörper, „der schon explodiert war – aber offenbar nicht zur Gänze“, berichtet die Mutter. „Mein Sohn wollte mit einem Feuerzeug, das er ebenfalls gefunden hatte, ein Stück Wachs abschmelzen, dabei passierte es.“

Aggressivste Form von Handverletzungen

„13-Jähriger verlor in Wien drei Finger durch Feuerwerkskörper“, hieß es in Medienberichten. Doch das stimmt so nicht mehr: Denn plastischen Chirurgen Viktoria König und Oskar Aszmann von der Uni-Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie der MedUni / AKH Wien gelang es in einer rund achtstündigen Operation, den Daumen zu replantieren, also wieder anzunähen. Dreieinhalb Monate nach der OP gibt es die gute Nachricht, dass B. den noch steifen Daumen auch wieder bewegen wird können.

„Explosionstraumen, wie sie bei Böllerverletzungen entstehen, sind die aggressivste Form von Handverletzungen“, sagen die Ärzte. „Wenn sich jemand mit der Spaltmaschine den Finger abhackt oder mit der Kreissäge absägt, sind das relativ saubere Verletzungen. Bei einem Explosionstrauma sind die Verletzungen viel komplexer.“

Herausgerissen

So war es auch bei B.: „Die Wucht der Explosion hat den Daumen aus dem Gelenk herausgerissen – nicht nur Knochen und Haut, sogar der Muskel, der für die Daumenbeugung zuständig ist, war am oberen Ende mit der gesamten Sehne ausgerissen. Das sind gewaltige Kräfte, die da frei werden.“

Gewebe überlebt ohne Blutversorgung bis zu sechs Stunden, sagt König. Im Falle von B. ging alles zum Glück sehr schnell: „Um 13.25 Uhr kam es zur Explosion und gegen 14.30 Uhr waren wir bereits im Operationssaal.“

Als Erstes kommt immer die knöcherne Rekonstruktion, erklärt Aszmann. Dabei werden die Knochenteile mit zwei Drähten zusammengesteckt und fixiert: „Dann sieht man die genaue Länge des Gefäßdefekts – im Falle des Buben rund fünf Zentimeter.“

Mit zwei genauso langen Stücken von Nebenvenen aus der Innenseite des Unterarms gelang es, die durch die Druckwelle zerstörten Gefäßabschnitte zu überbrücken. „Diese Nebenvenen sind eine Art Ersatzteillager, mit denen man kleine Gefäße wiederherstellen kann.

„Zuerst haben wir die Arterie wiederhergestellt, dann den Daumen warm eingepackt. Nach ein paar Minuten zeigten Bluttropfen aus dem Daumen an, dass die Überbrückung funktionierte.“ An der Stelle des Blutaustritts suchte Aszmann unter dem Mikroskop nach einer Vene – auch hier überbrückte er mit einem Venenstück aus dem Unterarm den Gewebedefekt und konnte so den Blutkreislauf wiederherstellen.

Die Gefäße werden mit Fäden zusammengenäht, „die so dünn wie ein Haar sind“, sagt König. Die Naht muss ganz exakt sein, damit nicht ein Knoten den Blutfluss blockiert.“ Auch der Nerv wurde genäht. „Bei solchen Eingriffen verwenden wir eine Lupenbrille mit 3,5-facher Vergrößerung und ein Mikroskop.“

Kritische Phase

Am Schluss erfolgte die Rekonstruktion der Sehne. Und um die Daumenmuskulatur wieder aktivieren zu können, wurde die Sehne eines Unterarmmuskels an einen Daumenmuskel „umgehängt“.

Die kritischste Phase waren die ersten drei, vier Tage. Die Druckwelle hat den Daumen nicht nur ausgerissen, sondern auch im verbleibenden Gewebe viele Zellen zerstört: „Der Sauerstoffmangel ist das eine Problem, das andere ist die Druckwelle.“

„Am Ende ist es nicht nur die chirurgische Kunst“, betonen Aszmann und König: „Es kann auch sein, dass man sich sechs bis acht Stunden im OP unglaublich bemüht, und drei Tage später zeigt sich, dass die Verletzungen durch Hitze und Druck so groß sind, dass wir den Daumen amputieren müssen. Heute können wir mit Sicherheit sagen, dass der zum Greifen so wichtige Daumen überleben wird.“

Verletzungsgefahr

Der 13-Jährige „ist sehr tapfer“, sagen die Ärzte. Er selbst sagt: „Natürlich bin ich sehr traurig, dass ich zwei Finger verloren habe, aber ich bin sehr glücklich, dass der Daumen gerettet werden konnte und die Augen nicht verletzt wurden.“ Das Tragische am Fall des Buben ist, dass er den Feuerwerkskörper gefunden hat: „Das kommt immer wieder vor“, berichtet Aszmann: „Es sind schwere Verletzungen in einer Sekunde des Lebens – die Konsequenzen hat man ein Leben lang zu tragen.“

Die größten Verletzungen passieren bei den Feuerwerkskörpern, die nicht explodieren: „Dann geht jemand nachschauen und in dem Moment kommt es zur Explosion. Unsere wichtigste Botschaft ist deshalb: Niemals herumliegende Feuerwerkskörper aufheben, niemals nachschauen – und am besten niemals welche zünden.“

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