Covid-19: Welche Bedeutung Medikamente bei Symptombeginn haben
Die Impfungen stehen an erster Stelle. Fachleute unterstreichen aber auch die Bedeutung von frühzeitig eingenommenen virushemmenden Tabletten und Kapseln.
Sie hat es schon oft von Betroffenen gehört: Wer bei Covid-19 rasch nach Symptombeginn ein Medikament bekommt, das die Virusvermehrung bremst, „bei dem sind nach 24 bis 48 Stunden die Beschwerden schon fast weg“, sagte Katharina Reich, Generaldirektorin für Öffentliche Gesundheit bei einer Diskussion in der KURIER freizeit.lounge im Palais Freiluft in Wien. Vielfach fehlt in Österreich aber das Wissen, dass es diese Medikamente überhaupt gibt. Und es klappt noch nicht überall mit der raschen Bereitstellung. Deshalb sind laut Gecko-Kommission auch erst rund vier Prozent der öffentlich beschafften Präparate verordnet worden.
„Die Impfung steht an erster Stelle. Aber wir haben mittlerweile mit antiviralen Medikamenten eine zweite, sehr sehr gute und wirksame Methode, um Menschen vor schweren Krankheitsverläufen zu bewahren und Krankenhäuser zu entlasten. „Wir sind intensiv daran, mit den Bundesländern Lösungen zu finden, um diese Präparate rasch verfügbar zu machen“ Exp, betont Reich.
"Die Impfung ist das Erste und dann kommt lange nichts", betont auch der Infektiologe Florian Thalhammer vom AKH und der MedUni Wien. "Es soll jetzt nicht heißen, wir haben Tabletten, daher spare ich mir das Stechen. Das ist ein No-Go."
Zwei Wege
Um die Präparate leichter zu den Patientinnen und Patienten zu bringen, könnten sich zwei Wege anbieten. Für Ballungszentren könnten ähnliche telemedizinische Modelle wie in Wien eine Lösung sein. Hier werden seit Jahresbeginn positiv Getestete ab 50 Jahren angerufen: „Wenn sie es dann wünschen, erhalten sie eine telefonische ärztliche Beratung“, sagt Florentin Glötzl, im Wiener Gesundheitsverbund für das Projekt zuständig. Kommen sie für eine Therapie infrage, wird eines der beiden Medikamente – Paxlovid oder Lagevrio – per Botendienst zugestellt. „Welches, das entscheidet der Arzt anhand der Vorerkrankungen und der Medikamente, die jemand bereits einnimmt.“
Die Bilanz in Wien bis 31. Mai: 10.000 Behandlungen über das Telemedizin-Projekt, im Vergleich zu 1.500 Therapien über niedergelassene Ärzte und Apothekenabgabe.
Generaldirektorin Reich will die Abgabe über die Hausärzte vereinfachen: „Das Einfachste wäre, wenn diese ihre Risikopatienten bereits vor einer Infektion informieren, dass für sie diese Medikamente nach einem positiven Testergebnis empfohlen sind. Oder dass Risikopatienten nach einer Aufklärung bereits ein Rezept zu Hause haben, für den Fall, dass sie positiv getestet werden.“ Eine andere Maßnahme: In Alten- und Pflegeheimen einen kleinen Vorrat anlegen, um bei positiven Befunden Zeit zu sparen.
„Der Infektiologe Florian Thalhammer vom AKH und der MedUni Wien bringt auch eine direkte Abgabe über Apotheken ins Spiel: „Der positive Testbefund könnte für die Apotheke gleich als Rezept gelten: Dann gäbe es gar keinen Zeitverlust.“
Antivirale Medikamente
Zugelassen ist die Wirkstoffkombination Nirmatrelvir / Ritonavir (Handelsname: Paxlovid) von Pfizer. Noch im Zulassungsverfahren ist der Wirkstoff Molnupiravir (Handelsname: Lagevrio) von MSD, über ein Compassionate-Use-Programm („Arzneimittel-Härtefallprogramm“) kann er aber ebenfalls eingesetzt werden.
Mit der Einnahme beider Präparate sollte innerhalb von fünf Tagen nach Einsetzen der Symptome begonnen werden. Sie hemmen die Virusvermehrung, verringern und verkürzen die Virusausscheidung.
Besonders bei Paxlovid muss der Arzt Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten abklären, mittels App gehe das rasch, so Thalhammer. Beide Mittel sollen nicht in der Schwangerschaft gegeben werden
„Derzeit ist die Nachfrage in Apotheken gering“, sagt Heinz Haberfeld, Präsident der Apothekerkammer Niederösterreich. Über Apotheken ist derzeit auch nur Paxlovid erhältlich: „Dieses ist auf Rezept kostenlos abzugeben.“ Nach Vorliegen eines elektronischen Rezepts könnten auch Apotheken die Zustellung übernehmen.
Wer soll die Medikamente bekommen?
Haberfeld verweist auf eine Leitlinie der Gesellschaft für Allgemeinmedizin, wonach keine antivirale Therapie vorgesehen sei, „wenn es kein Risiko für einen schweren Verlauf gibt“. Beide Medikamente sind laut Gebrauchsinformation für Menschen vorgesehen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben – Ungeimpfte, Risikopersonen (z. B. mit Herz- und Lungenleiden) und Ältere.
Für Thalhammer ist das ein veralteter Ansatz. „Als Mediziner würde ich sagen, wir haben zwei gleichwertige Substanzen, die das Virus an der Vermehrung hindern. Sie haben beide da und dort kleine Einschränkungen und können in meinen Augen allen Patienten, die SARS-CoV-2-positiv sind, ab dem 18. Lebensjahr gegeben werden, wenn sie das wollen. Allen Risikopatienten sollten wir sie aber dringend empfehlen.“
Dass er für einen großzügigen Einsatz auch bei Nicht-Risikopatienten ist, hänge mit seiner Erfahrung aus der Klinik zusammen: „Die Menschen sind rasch beschwerdefrei, wir können damit das Leiden verringern.“ Zur Wirkung gegen Long Covid gebe es noch keine Daten, „aber wir haben die Chance, dass wir damit auch diese Krankheit verhindern“. Und: „Unser Problem im Spital ist derzeit nicht, dass unsere Betten alle mit Covid-Patienten gefüllt sind. Uns fehlt – wie in anderen Bereichen – das Personal, weil es krank ist.“ Viele Betroffene seien am Tag drei nach der ersten Einnahme der Medikamente bereits PCR-negativ und könnten dadurch früher arbeiten gehen.
„Impfungen und Medikamente sind ein Doppelgespann, das uns voranbringt“, betont Reich. „Da bin ich komplett bei Professor Thalhammer, das müssen wir wirklich breit hinkriegen.“ Es gebe für jede Patientin und jeden Patienten ein Medikament, egal, ob jemand viele oder wenige andere Arzneimittel einnehme, ob jemand geimpft sei oder nicht: „Es gibt eine Auswahl.“
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