Covid-19: Frühe Gabe von Blutplasma halbiert Risiko für schweren Verlauf
„Diese Daten sind eine sehr gute Nachricht“, sagt der Infektiologe Robert Krause von der MedUni Graz. 80 argentinische Covid-19-Patienten (65 oder mehr Jahre) mit Vorerkrankungen erhielten Blutplasma Genesener, das Antikörper (Abwehrstoffe) gegen das neue Coronavirus enthält. Und zwar innerhalb von drei Tagen nach Symptombeginn – zu einem Zeitpunkt, zu dem es ihnen noch relativ gut ging. Die frühe Behandlung reduzierte das Risiko für einen schweren, lebensbedrohlichen Verlauf von Covid-19 um die Hälfte (48 Prozent) im Vergleich zu Patienten, die eine Placebo-Salzlösung transfundiert bekamen. Die Studie ist im New England Journal of Medicine erschienen.
„Wir hatten bisher den Ansatz, das Blutplasma Schwerkranken zu geben“, sagt Krause. Im April 2020 konnten Grazer Mediziner einen 36-Jährigen mit einem Immundefekt erfolgreich behandeln, der keine Antikörper bilden konnte. Positive Ergebnisse bei anderen solcher spezieller Fälle folgten. Aber insgesamt zeigten Studien, dass die Behandlung fortgeschrittener, schwerkranker Covid-19-Patienen mit Rekonvaleszentenplasma nur wenig Wirkung zeigt.
„Der Ansatz jetzt ist ganz anders. Man gibt Risikopatienten das Blutplasma zu Beginn der Erkrankung, wo es ihnen noch relativ gut geht, die Sauerstoffaufnahme noch ausreichend ist: Etwa sehr alten Pflegeheimbewohnern, oder einem 70-Jährigen mit einer schweren Herz- oder Lungenerkrankung. Jetzt müssen wir schauen, wie wir diese Erkenntnisse im Alltag umsetzen. Wenn wir anfangen, bei Risikopatienten Blutplasma Geneser quasi vorbeugend zu geben, müssen auch gewährleistet sein, dass es dafür ausreichend Plasmaspender gibt und auch die Logistik und Organisation der Verabreichung funktioniert." So könnte man erkrankten Pflegeheimbewohnern in Tageskliniken oder bei entsprechenden organisatorischen Maßnahmen auch direkt im Pflegeheim das Plasma verabreichen, um frühzeitig alles zu tun, um eine Verschlechterung der Erkrankung und einen Spitalsaufenthalt zu verhindern.
Ähnlich positiv auch Christof Jungbauer, medizinischer Leiter der Blutspendezentrale des Roten Kreuzes für Wien, NÖ und Burgenland: „Dass die frühe Plasmagabe helfen kann, ist bereits durch mehrere Studien gut abgesichert. In den ersten Tagen der Erkrankung vermehrt sich das Virus rasch und hat man noch keinen eigenen Antikörper dagegen. Da hilft das Blutplasma.“ Das Rote Kreuz sucht Plasmaspender, die schwerer an Covid-19 erkrankt waren (hohes Fieber) und wieder gesund sind.
Infekiologe Krause und sein Team sind bereits in den vergangenen Monaten bei einzelnen Patienten dazu übergegangen, mit der Gabe von Blutplasma nicht so lange zu warten, bis Patienten auf die Intensivstation überstellt werden müssen. "Bei einem etwa durch spezielle Krebstherapie erworbenen oder auch einem angeborenen Antikörpermangel haben wir auch schon auf der Normalstation Blutplasma verabreicht."
Die neuen Studienergebnisse seien auch deshalb so wichtig, betont Krause, weil man die frühe Krankheitsphase von Risikopatienten im Auge gehabt habe, in der es momentan keine zielgerichtete Therapie gegen die Virusvermehrung gebe: "Das antivirale Medikament Remdesivir und das entzündungshemmende Cortison werden erst im Krankenhaus verabreicht, wenn der Krankheitsverlauf bereits fortgeschritten ist und die Sauerstoffsättigung sich verschlechtert hat", sagt Krause. "Aber jetzt wurde erstmals gezeigt, dass man auch in der frühen Phase mehr tun kann als nur die Symptome wie Fieber oder Husten zu lindern."
Von Genesen gespendetes Blutplasma könnte angesichts der neuen Forschungsergebnisse auch eine Alternative zu den extrem teuren Präparaten mit künstlich im Labor hergestellten Antikörpern sein, wie sie zum Beispiel US-Präsident Donald Trump erhalten hat. "Diese sind aber in Österreich noch gar nicht verfügbar."
Und möglicherweise ist die Wirkung des menschlichen Blutplasmas sogar besser: "Möglicherweise ist im Plasma noch ein bestimmter Faktor enthalten, der - über die Antikörper hinaus - eine zusätzliche Wirkung hat. Das wissen wir heute noch nicht, aber es ist auch nicht auszuschließen. Jedenfalls zeigt diese neue Studie, dass das Potenzial von Rekonvaleszentenplasma viel größer ist, als man noch vor wenigen Wochen angenommen hat."
Das menschliche Blutplasma ist eine gelbliche, klare und eiweißreiche Flüssigkeit. Das Plasma ist die zellfreie Blutflüssigkeit und macht etwa 55 Prozent des Blutvolumens aus.
Info für eine Blutplasmaspende nach einer Covid-19-Erkrankung: gibdeinbestes.at/corona-plasma/
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