Impfstoff-Zulassung: Wie die Arzneimittelbehörde entschieden hat
Neun Länder weltweit haben den Coronavirus-Impfstoff von BioNTech/Pfizer bereits zugelassen: Allerdings war die Schweiz am Samstag das erste Land mit einer ordentlichen und keiner Notfallzulassung. Voraussichtlich heute, Montag, wird die Europäische Arzneimittelagentur EMA eine befristete Zulassung mit Auflagen in der EU empfehlen. Auch das ist keine Notfallzulassung. Die Virologin Christina Nicolodi, die Firmen in solchen Verfahren begleitet, erklärt das Verfahren.
Was genau passiert heute in Amsterdam?
Es findet ein außerordentliches – virtuelles – Treffen des „Ausschusses für Humanarzneimittel“ (CHMP) der EMA statt. „Jedes EU-Land hat für den Ausschuss ein Mitglied und ein Ersatzmitglied nominiert. Auch Island und Norwegen sind vertreten.“ Am Montag wird abschließend das wissenschaftliche Gutachten der EMA diskutiert – unter den Experten der Länderbehörden und mit rascher Rückfragemöglichkeit bei der Firma. „Ergeben sich während der Sitzung noch Fragen, leitet sie der Projektmanager der EMA an den Antragsteller weiter, der unverzüglich antwortet.“
Eigentlich wollte die EMA erst nach Weihnachten entscheiden – hat sie jetzt weniger genau geprüft?
„Nein. Die Begutachtung der wissenschaftlichen Daten ist bereits seit einigen Tagen abgeschlossen“, betont Nicolodi. Jetzt gehe es nur noch um formale Dinge, etwa Aufschriften auf der Verpackung, Formulierungen in den nationalen Produktinformationen oder Details zu den Studien, die als eine der Auflagen vorgeschrieben werden.
Es gab auch Sorgen, es sei zu schnell gegangen?
Bisher war es in der EU erst dann möglich, einen Antrag auf Zulassung zu stellen, wenn alle Daten vorliegen. Der BioNTech/Pfizer-Impfstoff ist aber der erste, der ein „Rolling-Review-Verfahren“ abgeschlossen hat. „Dabei werden frühzeitig vorliegende Daten – etwa von den ersten Studien aus dem Labor – sofort geprüft, das spart Zeit.“ Das Verfahren für diesen Impfstoff hat am 6.10. begonnen.
Wie lange wird geprüft?
„Die EMA gibt einer Firma bekannt, wann aus ihrer Sicht ausreichend Daten vorliegen, dass ein Zulassungsantrag gestellt werden kann.“ Das war bei BioNTech/Pfizer am 1.12. der Fall. „Zwei nationale Behörden übernehmen als „Rapporteur“ und „Co-Rapporteur“ die Leitung der Prüfphase und erstellen Entwürfe der Gutachten. Ein drittes Team beschäftigt sich ausschließlich mit Sicherheitsfragen. Alle anderen Mitgliedstaaten sind aber ebenfalls eng in den Prozess eingebunden und begutachten die wissenschaftlichen Daten.“
Wie geht es nach dem Montag weiter?
Der EMA-Ausschuss kann die Zulassung nur empfehlen, die EU-Kommission erteilt sie. Zuvor muss die Kommission noch bei Vertretern aller EU-Staaten rückfragen, ob es Einwände gibt. „Normalerweise dauert dieser Verfahrensteil bis zu 67 Tage“, sagt Nicolodi. Doch diesmal soll es innerhalb eines Tages abgewickelt sein. Mit der Zulassung durch die EU-Kommission (voraussichtlich also 22. 12.) ist der Impfstoff mit einheitlichem Produktnamen in der EU verfügbar, mit Produktinformationen in allen EU-Sprachen.
Was passiert nach der befristeten Zulassung?
„Seit 2007 müssen Medikamente auch bei Kindern auf ihre Sicherheit und Wirksamkeit untersucht werden. Zwar waren in BioNTechs Zulassungsstudie mit 44.000 Probanden auch einige Jugendliche eingeschlossen, trotzdem muss die Firma einen ,Paediatric Investigation Plan‘ vorlegen, um weitere verpflichtende Studien bei Kindern und Jugendliche durchführen zu dürfen“, erklärt die Virologin. Demnach sind vier Studien mit Kindern und Jugendlichen geplant: Für die Altersgruppen ab der Geburt bis fünf Jahre, von fünf bis 18, von 12 bis 18 Jahre sowie eine für Kinder mit Immunschwäche ab Geburt bis 18 Jahre. Darüber hinaus muss die Firma Auflagen zur weiteren Überprüfung von Sicherheit und Wirksamkeit erfüllen, etwa eine Studie mit Schwangeren. Die Zulassung wird immer um ein Jahr verlängert, bis ausreichend Daten für eine unbegrenzte Zulassung vorhanden sind.
Wie geht es mit den anderen Impfstoffen weiter?
Die EMA will jetzt bereits am 6. statt – wie ursprünglich geplant – am 12. 1. über die Zulassung des mRNA-Impfstoffes der US-Firma Moderna entscheiden. Danach dürften die Vektorimpfstoffe von Uni Oxford / AstraZeneca (Prüfung seit 1.10.) und Johnson & Johnson (Janssen-Cilag) folgen: „Hier startete das Rolling-review-Verfahren ziemlich unbemerkt von der Öffentlichkeit am 1.12. Die Chancen auf mehrere Zulassungen im Frühjahr stehen gut.“
Die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna sind sogenannte mRNA-Impfstoffe: Sie enthalten ein Gen von SARS-CoV-2, der Bauplan für das Oberflächenprotein des Virus. Kleine Fettkügelchen (Lipid-Nanopartikel) transportieren die Erbinformation in die Zellen, die dann für kurze Zeit das Virusprotein selbst produzieren. Der Körper erkennt es als fremd und baut einen Schutz dagegen (Antikörper und Abwehrzellen) auf.
Demgegenüber sind die Präparate von Uni Oxford/ AstraZeneca und Johnson & Johnson Vektorimpfstoffe. Bei diesen wird meist ein abgeschwächtes Schnupfenvirus als Träger (Vektor) für dieses Gen verwendet, das die Bauanleitung für das Oberflächenprotein enthält – allerdings nicht in Form von mRNA (transportiert genetische Information), sondern in Form der stabileren DNA (speichert die genetische Information dauerhaft).
Hotline
Unter 0800 555 621 startet
das Gesundheitsministerium heute gemeinsam mit der AGES eine Info-Hotline zur Impfung gegen das Corona-Virus. Dort kann man Fragen zur Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe stellen. Die Hotline ist sieben Tage die Woche rund
um die Uhr erreichbar
Online
Ein Informationsangebot gibt
es auch auf der Website des
Ministeriums und der AGES:
www.sozialministerium.at
www.ages.at
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