Minus 74,0 Grad Celsius, minus 75,6 Grad Celsius, minus 21,8 Grad Celsius: Am Freitagnachmittag sind die drei derzeit bekanntesten Ultra-Tiefkühlschränke des Landes auf einem guten Weg, ihre erforderliche Betriebstemperatur von 70 Grad zu erreichen.
Die weißen Kästen stehen im Osten von Wien, in jenem Bezirksteil von Simmering, der von Lagerhallen, Bahngleisen, Kraftwerken, Park- und Sportplätzen dominiert wird. Genauer gesagt: Im neuerdings besonders gut bewachten Zentrallager der Herba Chemosan AG.
Andreas Windischbauer, Vorstandsdirektor des inzwischen 104 Jahre alten Arzneimittel-Großhandelsbetriebs, zeigt sich sehr zufrieden mit den aktuellen Messdaten.
Das Gold dieser Tage
In den Super-Kühlschränken, die bisher schon zur Aufbewahrung von Organen in Spitälern verwendet wurden, wird die Republik das Gold dieser Tage zwischenlagern. Die ersten 9.750 Dosen jenes Impfstoffs, der von der EU zur Bekämpfung von Covid-19 in Kürze zugelassen werden soll und unter der Bezeichnung BNT162b2 in den vergangenen Tagen weltweit Bekanntheit erlangte, werden relativ unspektakulär zur Simmeringer Haide transportiert – in einem Klein-Lkw.
Der Impfstoff des deutsch-amerikanischen Konsortiums BioNTech/Pfizer soll, davon geht jedenfalls Windischbauer aus, "nicht vor dem Heiligen Abend, aber noch vor Silvester" vom belgischen Pfizer-Werk in Puurs nach Wien geschickt werden: "Wir rechnen weiterhin mit der ersten Impfung noch kurz vor dem Jahreswechsel." Wien und NÖ planen einen Impfstart am 28. Dezember.
Mag der Transporter nicht viel größer als ein Pizzaflitzer aussehen, außergewöhnlich wird er dennoch sein, und zwar aufgrund seiner beiden eingelagerten Spezialboxen. Diese sind mit Trockeneis gefüllt, damit das Vakzin kontrolliert bei minus 70 Grad Celsius eingefroren bleibt.
Pfizers „Pizzaflitzer“
"Wir sind bereit", erklärt Windischbauer, während auch an einem Freitagnachmittag ein Klein-Lkw nach dem anderen voll beladen das Firmengelände an der Haidestraße verlässt. Und er meint damit nicht nur seine eigene Firma, sondern als Branchensprecher auch die vier großen Mitbewerber, die den Arzneimittel-Großhandel ohne großes Getöse organisieren, die also mitverantwortlich dafür sind, dass Österreichs Apotheken schon bisher die meisten Medikamente bestellen und binnen weniger Stunden auch beziehen konnten.
Auch die Logistik bei der Verteilung der Corona-Impfstoffe müsse den Europa-Vergleich nicht scheuen, so Windischbauer. "Wir folgen in Österreich der Strategie, dass die Impfung zu den Menschen kommen soll, und nicht umgekehrt, wie in einigen anderen Ländern vorgesehen."
Dazu wurden – so wie in Simmering – 22 weitere Verteilzentren eingerichtet, 16 davon mit mindestens einem Ultra-Tiefkühlschrank, denn nicht alle Präparate müssen bei minus 70 Grad gelagert werden. Dieses Netzwerk erlaubt dem Großhandelssprecher folgendes Versprechen: "Wir können schon in Kürze innerhalb von nur zwei Stunden jede Impfstation des Landes beliefern."
Somit bleiben nach dem Auftauen und der Anlieferung des Impfstoffs mindestens 110 Stunden Zeit, um ihn zu verabreichen.
Für die 1.000 Angestellten von Herba Chemosan ist das öffentliche Interesse an ihrer nicht zuletzt durch Corona sicheren Arbeit neu. Der Betriebsrat lobt das gute Klima im Betrieb. Respekt verdienen aber auch all die Botenfahrer, die täglich ausliefern. Sie sind hier nicht angestellt.
Kommentare