Corona: Wie geht es jetzt mit der Pandemie weiter?
Zwar ist in den Spitälern noch für mehrere Wochen keine Entspannung in Sicht - trotzdem mehren sich vorsichtig zuversichtliche Stimmen, die zwar noch kein Ende der Pandemie, aber doch entspanntere Corona-Monate kommen sehen.
Worauf Expertinnen und Experten ihre Zuversicht begründen - und warum sie trotzdem vor Sorglosigkeit und davor warnen, die mögliche Entwicklung im Herbst und Winter zu unterschätzen.
Der Wiener Gesundheitsverbund etwa verzeichnete gestern mit 654 Covid-Patientinnen - und Patienten auf Normalstationen einen historischen Höchststand. Das Wiener AKH zum Beispiel muss Operationen auf Notfälle beschränken.
In den Krankenhäusern wird die extreme Belastung noch einige Wochen andauern. Aber was die Neuinfektionen betrifft, zeichnet sich diesmal jetzt wirklich ein Rückgang ab. Dafür gibt es mehrere Gründe:
- "Die hohen Infektionszahlen der letzten Wochen führten zu einer zunehmenden Immunisierung der Bevölkerung, wodurch sich die Anzahl der Personen, die sich momentan anstecken können, deutlich reduziert hat", heißt es im jüngsten Bericht des österreichischen Prognosekonsortiums.
- Zusätzlich zu diesen Sättigungseffekten wurde in den vergangenen Tagen eine stärkere Abflachung der gemeldeten Neuinfektionen als erwartet beobachtet. Für diese Entwicklung können saisonale Effekte in Frage kommen, sagen die Prognostiker.
Drosten warnt vor Sorglosigkeit
Der Virologe Christian Drosten hat zuletzt aber in mehreren Interviews vor Sorglosigkeit gewarnt, zuletzt am Freitagabend in einem Interview mit den ARD-"Tagesthemen". Denn sowohl deutsche als auch österreichische Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass das Niveau der Infektionen trotz der Rückgänge hoch bleiben wird - angesichts der immer noch bestehenden Impflücken besonders in den älteren Altersgruppen.
Die warmen Temperaturen werden das Infektionsgeschehen abmildern, sagt Drosten, "aber es wird auch nicht komplett stoppen wie im letzten Jahr. Das ist meine Voraussage." Von einem infektionsfreien Sommer geht der Virologe nicht aus. Masken werden in Innenräumen wichtig bleiben, um zu verhindern, dass das Infektionsgeschehen außer Kontrolle kommt.
Andere Experten - etwa der deutsche Intensivmediziner Christian Karagiannidis - halten es sogar für möglich, dass bei fortlaufend rückläufigen Zahlen in Innenräumen auf Masken verzichtet werden könnte. "Das ist möglich, wenn die Fallzahlen als schnellste Größe in der Pandemie aufgrund einer hohen Bevölkerungsimmunität und Saisonalität über mehrere Wochen stabil nach unten gehen", erklärte der deutsche Physiker Dirk Brockmann in einem Interview für den Spiegel. Brockmann modelliert mit seiner Arbeitsgruppe für das Robert-Koch-Institut die Dynamik und Ausbreitung von Infektionskrankheiten. "Die Betonung liegt auf ,mehrere Wochen stabil`"
Und wie wird der Herbst?
Virologe Drosten geht zwar davon aus, dass man im Herbst wieder härter durchgreifen müsse, aber grundsätzlich sei der weitere Pandemieverlauf nicht zu prognostizieren. Ähnlich sieht das Brockmann. "Für den Sommer und den Herbst wage ich keine Prognose. Die weitere Entwicklung hängt wesentlich davon ab, welche Variante dann dominant ist und welche Virustypen weltweit noch entstehen."
Derzeit profitiere man davon, dass Omikron für vergleichsweise milde Krankheitsverläufe sorge: "Das könnte sich bei einem erneuten Aufflammen von Delta aber wieder ändern, vor allem ältere Ungeimpfte hätten dann ein noch mal höheres Risiko, schwer zu erkranken." Womöglich komme auch eine ganz neue Variante, die den Immunschutz noch einmal stärker umgehe als Omikron.
Und: "Die Delta-Variante ist nicht verschwunden", warnt etwa die deutsche Modelliererin Viola Priesemann in Die Zeit. Es sei gut möglich, dass diese Variante, die zu deutlich schwereren Verläufen führt als Omikron, im Herbst wiederkommt. "Aber wann genau, das wissen wir noch nicht."
Mit Corona wie mit einer Grippe umgehen?
In letzter Zeit wurden auch vermehrt Stimmen laut, man solle komplett dazu übergehen, Corona wie eine Grippe zu behandeln, also gar keine Maßnahmen mehr zu ergreifen. "Corona ist eben keine Grippe", sagte dazu Drosten im Interview mit Die Zeit. "Die meisten Menschen vergessen, dass sie in ihrem Leben viele Grippeinfektionen hinter sich haben, manche davon als harmlose Erkältung." Das führe dazu, dass eine Grippewelle von selbst auslaufe, weil - außer den Kindern - fast alle eine Immunität besitzen und daher weniger oder gar nicht ansteckend sind. Und das fehle bei Corona: "Die jetzige Immunität hilft im Herbst nicht mehr gegen Übertragung. Der R-Wert würde im November, wenn man das einfach laufen ließe, wieder auf 2 oder 3 hochschießen. Jeder Infizierte würde also wieder zwei bis drei Menschen anstecken. Es werde Jahre dauern, bis - durch Impfungen und wiederkehrende Infektionen - eine Gemeinschaftsimmunität wie bei Influenza aufgebaut ist. "Darum wird man auch noch jahrelang mit relativ milden Maßnahmen im Herbst und Winter die Inzidenzen kontrollieren müssen."
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