Wer im vergangenen Herbst und Winter an Covid-19 erkrankt war und deswegen vorerst auf einen vierten Stich verzichtet hat, fragt sich aktuell vielleicht, wie sinnvoll ein solcher jetzt ist. Eine neue Studie der Med Uni Graz liefert Antworten.
Dafür wurden Daten aus dem Zeitraum zwischen Ende 2022 und der ersten Jahreshälfte 2023 analysiert. Insgesamt wurden Daten von knapp vier Millionen Menschen, die alle bereits einmal mit SARS-CoV-2 infiziert waren, ausgewertet. Sie stammen aus dem Epidemiologischen Meldesystem (EMS) der AGES und dem Covid-19-Impfregister.
Risiko positiv getestet zu werden durch vierten Stich deutlich geringer
Zentrale Fragestellung: "Wie wirksam war die vierte Impfung für Menschen, die bereits mit SARS-CoV-2 infiziert waren?", fasst Stefan Pilz, der an der Med Uni Graz auf klinisch epidemiologische Forschungen spezialisiert ist, im KURIER-Gespräch zusammen. Es zeigte sich: "Vor allem in den ersten drei Monaten nach der Impfung war das Risiko positiv getestet zu werden deutlich geringer."
Das Team um Pilz machte allerdings auch eine andere Beobachtung: "Ab vier bis fünf Monaten nach dem Stich war das Risiko einer Covid-Infektion sogar etwas erhöht." Die Erkenntnisse decken sich mit anderen Studien. Über die Gründe dafür kann aktuell nur spekuliert werden: "Wenn das Immunsystem immer wieder durch Impfungen stimuliert wird, schießt es nur in eine Richtung, wird also geprägt, sich in vorrangig eine Richtung zu verteidigen. Zirkulieren neue Varianten, kann es seine Immunantwort dann womöglich nicht mehr so flexibel lenken."
Um dem entgegenzuwirken, haben die großen Impfstoffhersteller erst vor wenigen Monaten neue, angepasste Vakzine auf den Markt gebracht. Sie sollen gezielter gegen aktuell grassierende Varianten, allen voran Omikron-Abkömmlinge, wirken.
➤Mehr lesen: Hochzeit der Viren: Corona dominiert, Influenza steigt langsam
Die Grazer Forschungsgruppe untersuchte auch, ob der vierte Stich das Risiko, an den Folgen von Covid-19 zu versterben, reduzieren konnte. "Hier ist die Antwort Nein", schildert Pilz, gibt aber zu bedenken, dass die Corona-Sterblichkeit im Untersuchungszeitraum allgemein bereits auf niedrigem Niveau war. "Schon damals waren die Sterberaten glücklicherweise niedrig, weil ein Großteil der Bevölkerung bereits auf irgendeine Art Kontakt mit dem Virus hatte."
Keine Erkenntnisse zu Krankenhausaufenthalten und Long-Covid
Für Menschen, die bereits mehrfach geimpft und genesen sind, ist eine weitere Impfung Pilz zufolge "nicht unbedingt ein Muss". Allerdings wurden in der Grazer Studie Aspekte wie eine Reduktion von Krankenhausaufenthalten, die allgemeine Abschwächung der Symptome oder das Verhindern von Long-Covid-Erkrankungen im Zusammenhang mit dem vierten Stich nicht untersucht.
Das Nationale Impfgremium rät grundsätzlich allen Personen ab zwölf Jahren eine Immunisierung mit den neuen Variantenimpfstoffen an. Besonders empfohlen wird die Impfung Personen ab dem Alter von 60 Jahren, mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf sowie medizinischem Gesundheitspersonal. Gerade Risikogruppen sind gut beraten, nachzusehen, wann die letzte Impfung oder Infektion stattgefunden hat. Liegt der Viruskontakt mehr als zwölf Monate zurück, sollte man sich auffrischen lassen, da der Schutz vor schweren Verläufen nach dieser Zeit nachlässt.
➤ Mehr lesen: Fehlender Grippe-Impfstoff: Echter Mangel oder Logistik-Chaos?
Mit Masken und sauberen Händen durch den Winter
Expertinnen und Experten werden dieser Tage auch nicht müde, die Wirksamkeit von Masken in Erinnerung zu rufen. Vor allem an Orten mit hohem Infektionsrisiko, in vollen Öffis etwa, könne man sich damit schützen. Auch bekannte – und vielleicht wieder in Vergessenheit geratene – Hygienemaßnahmen wie gründliches und regelmäßiges Händewaschen können das Ansteckungsrisiko eindämmen.
Mit Blick in die Zukunft sagt Pilz jedenfalls: "SARS-CoV-2 wird sich aller Voraussicht nach in die Liste der bereits bekannten anderen Coronaviren einreihen, mit denen wir uns schon in der Vergangenheit immer wieder infiziert haben. Die Auswirkungen einer Ansteckung werden wohl nicht mehr so fatal sein."
Kommentare