Warum sich US-Experten für Corona-Impfstoff für Kleinkinder aussprechen
In den USA könnte es bereits in wenigen Tagen für Kinder unter fünf Jahre zugelassene Corona-Schutzimpfungen geben: Ein Beratungsgremium der US-Arzneimittelbehörde FDA hat sich Mittwochabend einstimmig dafür ausgesprochen, die entsprechenden Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna auch für die jüngsten Kinder ab sechs Monaten zuzulassen. Die US-Bundesstaaten haben bereits Millionen an Impfstoffdosen bestellt. Laut US-Regierung könnte mit der Auslieferung und den Impfungen bereits kommende Woche begonnen werden. Zuvor muss aber noch die US-Gesundheitsbehörde CDC ebenfalls eine positive Empfehlung abgeben.
Das Kommitee der FDA stimmte mit 21 "Ja"- und keiner einzigen Gegenstimme für die Zulassungen, nachdem die Mitglieder mehrere Tage lang die Daten aus den klinischen Studien begutachtet hatten. Ihre zusammengefasste Schlussfolgerung: Die Impfungen sind sicher und führen zu einer starken Reaktion des Immunsystems. Und auch wenn bei kleinen Kindern schwere Krankheitsverläufe selten sind, können die Impfungen auch in dieser Altersgruppe Leben retten.
"Wir müssen aufpassen, dass wir nicht emotional abstumpfen was Covid-Todesfälle im Kindesalter betrifft angesichts der überwältigenden Zahl an Todesfällen bei älteren Menschen", wird FDA-Impfstoffexperte Peter Marks in der New York Times zitiert. "Die Maßnahme, über die wir hier diskutieren, ist eine, die wir in den vergangenen Jahren akzeptiert haben, um Todesfälle durch die Influenza zu vermeiden." (Die Influenza-Impfung wird ab dem vollendeten 6. Lebensmonat allgemein empfohlen, Anm.).
Laut Experten der US-Gesundheitsbehörde CDC haben mehr als die Hälfte der Kleinkinder, die mit Covid-19 stationär in einem Spital behandelt werden müssen, keine chronische Grunderkrankung, die ihr Risiko erhöht hätte - trotzdem erkrankten sie schwer an Covid. Im vergangenen Winter waren in den USA auch mehr jüngere Kinder in Spitalsbehandlung als ältere und Jugendliche, und sie hatten zumindest gleich schwere Erkrankungsverläufe. Laut den FDA-Experten sind in den USA 442 Kinder unter fünf Jahren an Covid-19 gestorben, in der Schweinegrippe-Pandemie 2009/2010 waren es 78.
"Es gibt so viele Eltern, die diesen Impfstoff ganz dringend für ihre Kinder wollen", sagt Jay Portnoy, Professor für Pädiatrie an der Universität von Missouri. "Ich denke, wir schulden es ihnen, ihnen die Wahlmöglichkeit zu geben." Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach schrieb auf Twitter von einer guten Nachricht für Eltern.
Arthur Reingold, Epidemiologe an der Universität von Kalifornien, führt noch einen weiteren Punkt an: Kinder werden derzeit auch gegen Krankheiten geimpft, "bei denen das Risiko, ungeimpft daran zu versterben oder in Spitalsbehandlung zu kommen, ziemlich nahe bei Null liegt".
Einige Mitglieder des FDA-Gremiums wiesen auch auf noch offene Punkte hin, die aber nicht gegen die Zulassung sprechen:
- Die Studien zur Wirksamkeit wurden großteils zu einem Zeitpunkt durchgeführt, als die Omikron-Subvariante BA.1 dominant war. Innerhalb des kommenden Monats sollen aber auch in den USA BA.4/BA.5 dominant werden.
- Am stärksten diskutiert wurde aber ein anderer Punkt: Wird die Wirksamkeit des Impfstoffes von Biontech/Pfizer ausreichen? Erste Daten mit zwei Impfungen mit je 3 Mikrogramm (ein Zehntel der Ewachsenendosis) führten zu einer Wirksamkeit gegen symptomatische Erkrankungen von nur 28 Prozent. Nach einer dritten Dosis lag die Wirksamkeit dann zwar bei 80 Prozent. Allerdings sind in der Studie mit 1.678 Kindern insgesamt nur zehn Erkrankungsfälle aufgetreten, weshalb die FDA-Experten von "vorläufigen Daten" sprachen und es wichtig sein werde, die tatsächliche Effektivität im Alltag genau zu beobachten. Trotzdem ist das Gremium "sehr zuversichtlich", dass die Vorteile mögliche Risiken überwiegen werden.
Paul Offit, Impfstoffexperte vom Kinderspital in Philadelphia und eines der FDA-Kommissionsmitglieder, äußerte die Sorge, der Pfizer-Impfstoff könnte unterdosiert sein. Bei dem Präparat von Moderna könne man voraussagen, dass es schwere Erkrankungen verhindern werde, "aber ich bin mir nicht so sicher, ob man das auch bei dem Pfizer-Impfstoff vorhersagen kann." Vertreter von Pfizer hingegen betonten, die Daten würden zeigen, dass sich die Effektivität des Impfstoffes über die Zeit hinweg aufbaut: "Es ist nicht so, dass es da gar keine Effektivität gibt", sagte Pfizer-Vizedirektor William C. Gruber.
Während das Impfschema von Biontech/Pfizer drei Dosen zu je 3 Mikrogramm mRNA umfasst, sind es bei Moderna zwei Dosen zu je 25 Mikrogramm mRNA.
Keine Bedenken gab es seitens des Expertengremiums beim Thema Sicherheit. Keiner der beiden Impfstoffe führte zu ernsten Sicherheitsbedenken, die Nebenwirkungen waren größtenteils sehr mild, bei Moderna war der Anteil der Kinder, die kurzfristig Fieber bekamen, etwas höher als bei Biontech/Pfizer.
Offen bleibt auch, wie stark die Impfungen angenommen werden. In einer Umfrage der Kaiser Family Foundation erklärten nur 18 Prozent der befragten Eltern, dass sie ihre Kleinkinder jetzt sofort impfen lassen werden. 27 Prozent gaben an, ihre Kinder "definitiv nicht" zu impfen.
In der EU ist derzeit noch kein Corona-Impfstoff für sehr junge Kinder zugelassen. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA in Amsterdam prüft zur Zeit, ob der Impfstoff des Herstellers Moderna (Spikevax) auch für Kinder unter sechs Jahre zugelassen werden kann. Für den Impfstoff der Hersteller Biontech und Pfizer hat eine solche Prüfung noch nicht begonnen. Die Hersteller haben bisher nach Angaben der EMA keinen entsprechenden Antrag auf Erweiterung der Zulassung gestellt.
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