Corona: So stark sind Kinder und Jugendliche von der Pandemie betroffen

Jedes dritte Kind und jeder dritte Jugendliche ist derzeit von psychischen Problemen betroffen: Eines der Sujets der Kampagne "Die Krise im Kopf".
Die Bundesjugendvertretung spricht von einer "dramatischen Situaton" bei der psychischen Belastung und präsentiert 10-Punkte-Programm und Kampagne "Die Krise im Kopf".

Junge Menschen sind in der Pandemie um 80 Prozent häufiger von Depressionen und Angststörungen betroffen wie die Gesamtbevölkerung, ergab eine Studie der OECD. Anlässlich des "Welttags für psychische Gesundheit" am 10. Oktober (World Mental Health Day) macht jetzt die Österreichische Bundesjugendvertretung (BJV) auf die "dramatische Situation" für Kinder und Jugendliche in der Pandemie aufmerksam. Die Bundesjugendvertretung ist die gesetzlich verankerte Interessenvertretung und politische Lobby von Menschen bis 30 Jahre.

Mit ihrer Kampagne "Die Krise im Kopf" stellt die BJV auch eine 10-Punkte-Charta mit konkreten Forderungen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen vor.

"Eineinhalb Jahre Pandemie sind für Kinder und Jugendliche eine lange Zeit", betont  Fiona Herzog aus dem Vorsitzteam der Bundesjugendvertretung im KURIER-Gespräch: "Für Dreijährige ist es die Hälfte ihres Lebens, es ist knapp die halbe Volksschulzeit, fast ein gesamtes Masterstudium oder eine halbe Lehrzeit, die Kinder und Jugendliche jetzt im Ausnahmezustand verbracht haben. Dieser Ausnahmezustand hat sich negativ auf die psychische Gesundheit ausgewirkt und jungen Menschen stark zugesetzt."

Besonders das Fehlen von Tagesstrukturen und sozialen Kontakten zu Gleichaltrigen und zu Familienmitgliedern belastete Kinder und Jugendliche stark, zeigte eine BJV-Umfrage.

Corona: So stark sind Kinder und Jugendliche von der Pandemie betroffen

Fiona Herzog ist eine der Vorsitzenden der Bundesjugendvertretung.

"Die Krise im Kopf gehört leider für viele Kinder und Jugendliche zum Alltag", sagt Herzog und nennt einige weitere Fakten:

  • Jede und jeder vierte Jugendliche hatte bereits vor der Pandemie psychische Beschwerden. Derzeit ist jede und jeder dritte betroffen. "Das heißt: Eine Millionen junger Menschen leidet in Österreich unter psychischen Problemen."
  • Kinder und Jugendliche, die in Armut leben, sind besonders betroffen. Sechs von zehn armutsbetroffenen Kindern fühlen sich einsamer als vor der Krise.
  • 55 Prozent der Schülerinnen und Schüler leiden an depressiven Symptomen oder Ängsten, ein Viertel unter Schlafstörungen, 16 Prozent haben suizidale Gedanken, so das Ergebnis einer Studie der MedUni Wien.

Video: KURIER Talk mit Fiona Herzog

Auch wenn die Schulen derzeit weitgehend offen sind, wirken die Erfahrungen aus den Lockdowns nach, sagt Herzog: "Und das Problem ist ja die fehlende Perspektive. Man weiß nicht, bleiben die Schulen auch wirklich offen und wie geht es mit der Pandemie weiter. Und da es vielfach an einer ausreichenden Versorgung von psychischen Problemen und Erkrankungen fehlt, sind viele Probleme, die in den vergangenen eineinhalb Jahren entstanden sind, nicht gelöst worden." Gerade auch bei jungen Menschen auf Jobsuche und Studierenden gebe es viele Unsicherheiten.

Trotz des steigenden Bedarfs gebe es aber nach wie vor massive Engpässe in der Gesundheitsversorgung, betont Herzog: "Es braucht eine massive Aufstockung im Bereich der klinischen Psychologie oder der Kinder- und Jugendpsychiatrie: "Es gibt zum Beispiel zwei Bundesländer mit keinem einzigen niedergelassenen Kinderpsychiater mit Kassenvertrag."

"An den Schulen benötigen wir mindestens eine Schulsozialarbeiterin oder einen Schulsozialarbeiter für jeden Schulstandort und mindestens eine Schulpsychologin oder einen Schulpsychologen pro 1000 Schülerinnen und Schüler." Damit solle sichergestellt werden, dass nicht nur Lehrpersonen, sondern auch spezfisch ausgebildetes Personal für psychologische Beratung zur Verfügung steht."

Aber auch niederschwellige Angebote im Bereich telefonischer und digitaler psychosozialer Beratung müssten ausgebaut werden. Und es brauche verstärkte Präventionsangebote gegen Mobbing oder Internetsucht.

Corona: So stark sind Kinder und Jugendliche von der Pandemie betroffen

Mit Plakaten, Postkarten und einem Social Media Schwerpunkt im Rahmen ihrer Kampagne "Die Krise im Kopf" will die Bundesjugendvertretung Bewusstsein für die schwere Situation vieler junger Menschen schaffen. Außerdem gibt es die Mitmachaktion "Und wie geht es dir wirklich": Dabei werden kreative Beiträge gesammelt, um die Situation junger Menschen sichtbar zu machen." Alle Infos und Unterlagen zu der Kampagne gibt es auf www.bjv.at.

Herzog abschließend: "Psychische Erkrankungen sind nach wie vor ein Tabu-Thema, hier braucht es ganz dringend eine Enttabuisierung. Wir können jetzt nicht einfach eine Million junger Menschen zurücklassen."

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