Impfpflicht: Warum Biontech-Mitgründer Huber sie "neu überlegen" will

Impfpflicht: Warum Biontech-Mitgründer Huber sie "neu überlegen" will
Immunologe Christoph Huber verweist auf Widerstand und Spaltung in der Gesellschaft und weniger krankmachende Virusvarianten. Wirkung der Impfungen „ist höher als erwartet“.

Der Österreichische Immunologe Christoph Huber gilt als „Vater der Corona-Impfung“: Als Direktor der III. Medizinischen Klinik in Mainz hat er die außerordentlichen Begabungen und Persönlichkeiten von Ugur Sahin und Özlem Türeci erkannt, gefördert und mit ihnen 2008 die Firma Biontech gegründet.

Trotz der erfolgreichen Entwicklung des mRNA-Impfstoffes durch Biontech zeigt er sich im „Club 3“-Gespräch mit Martina Salomon (Kurier) Christian Rainer (Profil) und Klaus Knittelfelder (Krone) zurückhaltend, was die Impfpflicht betrifft: Wenn diese nicht angenommen werde, „wenn es so viel Widerstand gibt, wenn es die Bevölkerung spaltet, Betriebe spaltet und wenn die Virusevolution deutlich weniger krankmachende Varianten zum Überwiegen bringt, muss man es neu überlegen.“

Video: Club 3 mit Hämatologe und Immunologe Christoph Huber - Teil 1

Video: Club 3 mit Hämatologe und Immunologe Christoph Huber - Teil 2

In der jetzigen Situation werde es nicht einfach sein, Zwang auszuüben: „Zentral wird sein, langfristig die Herzen und den Verstand der Menschen zu gewinnen.“

„Erinnern mit Entsetzen“

Der erste Kontakt einer Bevölkerung ganz ohne Immunschutz mit einem neuen Erreger sei schlimm: „Ich erinnere mich mit Entsetzen daran, dass ich in Bergamo, in diesem Hotspot der Epidemie, war. Sie müssen weinen, wenn Sie das sehen.“

Die weitere Entwicklung sei zwar schwer vorhersagbar, aber je mehr Menschen eine Grundimmunität durch Impfung oder Infektion haben, „desto geringer wird das Risiko sein“.

Club3 mit Christoph Huber

Den Weg Schwedens mit viel weniger Beschränkungen hält er nicht mit jenem Österreichs für vergleichbar: „Das Sozialverhalten und die Folgsamkeit der Schweden sind anders als die von Südeuropäern oder Österreichern. Ein Flächenland, das unter einer gewissen Berührungsscheu leidet im wahrsten Sinne des Wortes, wird andere Infektionsszenarien schaffen als Länder, wo man sich küsst und kuschelt, und das ständig und mit Freude.“

Huber hatte in der Pandemie auch eine beratende Funktion für viele Regierungschefs. „Wen immer ich getroffen habe, er oder sie hat die Pandemie ernstgenommen, es gab eine große Betroffenheit und Bemühung, den richtigen Weg zu gehen.“ Insgesamt zieht der renommierte Mediziner eine positive Bilanz: „Innerhalb von zwei Jahren hat man begonnen, die Regeln zu verstehen, hat mit Hygienemaßnahmen gelernt, wie gut man einen Ausbruch tatsächlich kontrollieren kann. Und man hat gelernt, man kann gegen dieses Virus impfen.“

Huber widersprach Argumenten von Impfskeptikern, wonach die Impfungen die Erwartungen nicht erfüllt hätten – schließlich gebe es ja auch viele Dreifach-Geimpfte mit Infektionen: „Die Wirksamkeit war viel höher, als man wirklich erhoffen konnte, aber sie war zeitlich begrenzt, was viele von uns vorhergesagt haben.“ Jetzt habe er die Hoffnung, dass es in die Richtung einer jährlichen Auffrischungsimpfung gehe, „ideal wäre es, wenn man sie mit der Influenza-Impfung koppeln könnte“.

Die Corona-Impfung habe davon profitiert, dass es bereits zehn Jahre klinische Erfahrung mit Studien zu mRNA-Impfstoffen gegen Krebs gab. „Man hat nur ein paar Schalter umlegen müssen.“ Mit der Zulassung von ersten mRNA-Impfstoffen – sowohl individuell angepasst als auch „von der Stange“ – zur Therapie bereits ausgebrochener Krebserkrankungen rechne er „in den nächsten Jahren“.

Und was sagt er zur Sorge von Impfskeptikern, dass die mRNA-Partikel der Impfstoffe in das Erbgut eingelagert werden? – „Mit Sicherheit nicht, daran gibt es keinen Zweifel. Wer das behauptet, hat die wissenschaftlichen Studien nicht gelesen.“

Club3 mit Christoph Huber

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