Antigen, Antikörper, PCR: Was Sie jetzt über die Tests wissen müssen
Wie verlässlich sind die "Nasenbohrer"-Tests?
"Alle dieses Tests im vorderen Nasenbereich sind bisher größtenteils an symptomatischen Personen untersucht worden", erläutert der Mikrobiologe Michael Wagner von der Universität Wien. So zeigte sich in einer deutschen Studie bei Erwachsenen mit Symptomen kein Unterschied zwischen dem Selbstabstrich aus der vorderen Nasenwand und einer professionellen Probenentnahme aus dem Nasen-Rachen-Raum.
Eine AGES-Untersuchung ergab, dass die einfachen Selbsttests bei gänzlich asymptomatischen Erwachsenen im Vergleich zur PCR nur 40 Prozent der Infizierten erkannten - "wobei unter den Infizierten nicht alle infektiös sein werden", sagt Wagner: "Entscheidend ist: Wie viele davon sind auch infektiös? Gibt es vielleicht zwar im Rachen eine hohe Viruslast, aber im vorderen Nasenbereich ist sie – trotz hoher Infektiosität – möglicherweise zu gering, um detektiert zu werden? Das wissen wir nicht." – "Wir haben gerade bei Asymptomatischen nur wenige Vergleichsdaten mit den Standard-Antigentests", sagt Labormediziner Gregor Hörmann von der Österreichischen Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und klinische Chemie: "Aber tendenziell zeigt sich eine etwas geringere Sensitivität der Selbsttests."
Warum verwendet man diese Tests dann?
"Sie sind besser als kein Test und leicht durchzuführen. Wenn man zumindest 40 Prozent der Infizierten erkennt und in Quarantäne bringt, ist das für die Pandemiebekämpfung durchaus von Bedeutung", betont Hörmann. "Auch die Standard-Antigen-Tests können Hochinfektiöse übersehen. Wir haben in unseren Laboren immer wieder Proben von symptomatischen Personen mit negativem Antigen-Test, die in der PCR hochpositiv sind. Antigentests haben eine systemimmanente Restunsicherheit, die nicht behebbar ist. Trotzdem sind sie wichtig und derzeit unersetzbar. "
Wagner: "Je einfacher die Tests werden, umso ungenauer sind sie in der Regel auch. Das gilt für alle mittlerweile für die Heimanwendung zugelassenen Wohnzimmertests, egal, ob mit Probenentnahme durch die vordere Nase oder etwa durch Speichel."
Ein negativer "Nasenbohrer"-Test ermöglicht also keine risikoärmeren Besuche?
"Ein negativer Antigenselbsttest ist kein Freibrief für eine Verhaltensänderung – ich sollte danach trotzdem nicht die Oma besuchen", betont Wagner. "Aber auf Bevölkerungsebene haben sie trotzdem eine große Bedeutung. Die Nachricht an die Eltern lautet: ,Ihr Kind trägt durch das Testen dazu bei, dass die Pandemie ein Stück besser kontrolliert werden kann. Aber es kann trotzdem auch an demselben Tag, an dem es negativ getestet wurde, hochinfektiös sein‘."
Regelmäßige und verpflichtende Antigen-Tests seien deshalb, zumindest als Übergangslösung, bis bessere Konzepte entwickelt wurden, eine sehr gute Maßnahme. Wagner: "Ich bin davon überzeugt: Wir könnten die Pandemie unter Kontrolle halten, wenn sich jeder täglich selbst testet – auch dann, wenn der Test nicht besonders gut ist."
Und die herkömmlichen Antigen-Tests?
"Unabhängig von einer rechtlichen Gültigkeit: Medizinisch gesehen hat man nur eine Momentaufnahme und an dem Tag, an dem sie durchgeführt wurden, eine gewisse – keine 100-prozentige – Sicherheit, nicht hoch infektiös zu sein", sagt Hörmann. Bei den PCR-Tests könne man den relativ sicheren Zeitraum mit 48 Stunden angeben – weil sie sehr geringe Mengen von Viruserbgut erkennen und man damit weitgehend ausschließen könne, sich in der frühen, aufsteigenden Phase einer Infektion zu befinden.
Seit Kurzem werden sogenannte RT-LAMP-Tests angeboten, die ein Ergebnis in 90 Minuten liefern. Wie sind diese zu beurteilen?
Auch hier wird wie bei der PCR genetische Information des Virus vervielfältigt – aber mit einem vereinfachten Verfahren. "Dieses Verfahren ist um Größenordnungen genauer als Antigen-Tests und fast so gut wie die PCR, ist aber in Österreich bisher nicht als Heimtest verfügbar", sagt Wagner. "Wenn Sie eine Risikoperson besuchen, ist die Sicherheit hier viel größer als bei einem Antigentest." Allerdings gibt es bereits kommerzielle Anbieter solcher Tests.
Erkennen Antigentests die neuen Varianten?
"Ja", sagt Hörmann. "Die meisten Mutationen sind ja im Oberflächeneiweiß des Virus – dem Spike-Protein – aufgetreten. "Die Antigenrests weisen aber vielfach andere Virusproteine nach." Relevanter sei ein anderes Thema: "Viele Hersteller richten ihre Tests auf Hochinfektiöse mit hoher Viruslast aus. Bei der in England dominierenden Mutationen sind aber bereits niedrigere Viruskonzentrationen infektiös. Das verschlechtert die Empfindlichkeit der Tests." Ähnlich Mikrobiologe Wagner: "Diese Viren binden fester an die Zellen. Wenn dadurch eine geringere Virenzahl für eine Infektion ausreicht, könnten mehr Infektiöse übersehen werden. Das wird aber jetzt untersucht."
Wie gut zeigen Antikörpertest, ob nach Erkrankung ein Schutz besteht?
"Bisher gab es kein standardisiertes Verfahren für die Messung der Antikörperspiegel", sagt Hörmann. Labore haben zwar schon bisher Beurteilungen des Immunstatus durchgeführt, eine Restunsicherheit blieb. Jetzt werden mit WHO-Hilfe die Nachweismethoden für die Antikörper harmonisiert. "Als Nächstes muss definiert werden, ab welchen Werten bestimmter IgG-Antikörper eine wahrscheinliche Immunität besteht." Diese Antikörper sind gegen jene Stelle des Oberflächenproteins gerichtet sind, mit der das Virus an Zellen andockt. Labormediziner Hörmann: "Dazu erwarten wir in den nächsten Wochen bis Monaten weitere Daten. Dann werden wir mit Antikörpertests genauere Aussagen zur Immunität nach Erkrankung und Impfung treffen können."
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