"Sensationeller Qualitätssprung": Alzheimer-Bluttest bietet Aussicht auf Früherkennung
Im Mai 2025 hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde die Markteinführung des ersten In-vitro-Diagnostikgeräts genehmigt, das Blutuntersuchungen zur Diagnose der Alzheimer-Krankheit ermöglicht.
Erstmals gibt es in Europa Medikamente, die das Fortschreiten von Alzheimer spürbar bremsen: Leqembi und Kisunla verlangsamen die Erkrankung um rund 30 Prozent.
Wirksam sind sie jedoch nur in frühen Stadien, weshalb die Früherkennung – etwa per Bluttest – zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. "Bluttests zur Früherkennung sind bereits Realität, allerdings waren die verfügbaren Tests bis vor Kurzem zu wenig spezifisch: Man hat zu oft ein positives Ergebnis erhalten, obwohl gar kein Alzheimer vorlag – oder umgekehrt", sagt Peter Dal-Bianco, Neurologe und Past- und Ehrenpräsident der Österreichischen Alzheimer-Gesellschaft.
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"Lumipulse G" misst entscheidende Marker
Der Bluttest "Lumipulse G" kann Alzheimer in frühen Stadien erkennen, indem er das Verhältnis von Beta-Amyloid und Tau-Protein misst – entscheidende Marker der Erkrankung. In den USA ist der Test seit Mai von der FDA zugelassen und überzeugt mit einer Spezifität von mehr als 97 Prozent, sodass er gesunde Personen zuverlässig von Betroffenen unterscheidet.
"Mit diesem Test ist wirklich ein sensationeller Qualitätssprung gelungen", sagt Dal-Bianco. "Er kann aus dem Blut verlässlich mit einer Spezifität von über 97 Prozent erkennen, wer am Weg ist, Alzheimer zu bekommen, und schlägt gleichzeitig bei gesunden Personen nicht fälschlicherweise Alarm."
Auch in Österreich könnte dieser Test im kommenden Jahr bei Menschen mit Verdacht auf Alzheimer zum Einsatz kommen. Bis er über private Labore durchgeführt werden darf, wird es aber noch dauern. "Dafür braucht es eine Zulassung des Tests in Europa durch die Arzneimittelbehörde, momentan ist diese noch ausständig", erklärt Dal-Bianco die Hintergründe.
Ao. Univ.-Prof. Dr. Peter Dal-Bianco, Neurologe und Past- & Ehrenpräsident der Österreichischen Alzheimer-Gesellschaft.
Alzheimer als reine Labordiagnose
Er hofft, dass dieser Test in naher Zukunft Menschen mit z.B. familiärer Vorbelastung zur Verfügung gestellt werden kann. "Es könnte sogar in die Richtung gehen, dass Alzheimer eine reine Labordiagnose wird und wir nicht mehr auf klinische Symptome warten müssen, bis es aufgrund der Schäden im Gehirn dazu kommt."
Die Alzheimer-Erkrankung nimmt schon 15 bis 20 Jahre vor dem Auftreten erster klinischer Symptome im Gehirn ihren Lauf. "Das bedeutet, dass wir ein großes Präventivfenster haben, wo wir mit neuartigen Therapien oder Weiterentwicklungen der bereits zugelassenen Präparate viel bewirken könnten."
Irgendwann könnte Alzheimer sogar im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung routinemäßig abgeklärt werden. Dal-Bianco: "Aber das ist zugegebenermaßen noch Zukunftsmusik."
Die Rolle des Lebensstils bleibt wesentlich: "Es gibt viele Risikofaktoren, unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht, Bewegungsmangel, Rauchen, Alkoholkonsum, Hörverlust, Schädel-Hirn-Traumata, geringe geistige und soziale Aktivität sowie niedriger Bildungsgrad, die Alzheimer begünstigen können. Wenn diese beachtet würden, könnte man rund der Hälfte aller Erkrankungsfälle so weit hinauszögern, dass man Symptome und damit verbundene Einschränkungen gar nicht mehr erlebt."
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