Rheuma-Therapie auf der Überholspur: Lebensqualität durch Spitzenmedizin

Mann hält sich die Hand
Neue Therapien bei rheumatischen Erkrankungen sollen die Lebensqualität erheblich steigern – dazu zählen die CAR-T-Zell-Methode und moderne Biologika.

„Medizinischer Fortschritt folgt denselben Prinzipien wie die Formel 1: Unter Extrembedingungen werden Technologien entwickelt, die später den Alltag prägen“, sagt OA Dr. Raimund Lunzer, Leiter der Rheumatologie im Krankenhaus  Barmherzige Brüder in Graz. Was zunächst für seltene und lebensbedrohliche Autoimmunerkrankungen konzipiert wurde, findet zunehmend Anwendung bei häufigeren entzündlichen Erkrankungen – ein Musterbeispiel dafür, wie Spitzenforschung unmittelbar in Lebensqualität übersetzt wird.

Ein Beispiel ist systemischer Lupus erythematodes –  in Arztserien wie Dr. House fast schon klischeehaft inszeniert – ist in der Realität eine komplexe Erkrankung mit hoher individueller Belastung. „Über Jahrzehnte herrschte therapeutischer Stillstand. Erst vor Kurzem wurde nach zehn Jahren Forschung eine neue Therapie zugelassen – ein Wendepunkt für viele Patienten“, betont Lunzer.
Besonders zukunftsweisend ist die CAR-T-Zell-Therapie: Patienteneigene T-Zellen werden so modifiziert, dass sie fehlgeleitete B-Zellen gezielt eliminieren. „Das ist keine Weiterentwicklung, sondern eine völlig neue therapeutische Logik“, sagt Lunzer. Auch bi-spezifische Antikörper, die zwei Zielstrukturen zugleich adressieren, zeigen in Studien bereits vielversprechende Effekte. Neue Therapieansätze verändern auch die Perspektive für Patienten mit Gefäßentzündungen. Während bisher hohe Glucocorticoiddosen über Jahre hinweg unvermeidlich waren, ermöglichen moderne Wirkstoffe eine Reduktion dieser belastenden Therapie. Betroffene stehen häufig im Berufsleben. „Heute sprechen wir nicht mehr nur von Krankheitskontrolle, sondern von echter Teilhabe am Alltag“, sagt Lunzer.
 

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OA Dr. Raimund Lunzer, Leiter der Rheumatologie im Krankenhaus  Barmherzige Brüder in Graz.

Hoher Kostenfaktor 

Die Kehrseite: Entwicklungsprogramme dauern oft ein Jahrzehnt und verursachen immense Kosten. Therapien im Wert von 1.000 bis 10.000 Euro pro Monat seien keine Seltenheit – bei jahrelanger Behandlungsdauer. Besonders bemerkenswert ist der interne Wissenstransfer innerhalb der Immunologie. Erkenntnisse aus genetisch bedingten Zytokindefekten ermöglichen neue Strategien für Volkskrankheiten wie Gicht. Doch Lunzer warnt vor technologischem Überschwang: „Nicht jede Hochpräzisionstherapie ist sinnvoll, wenn einfache und kostengünstige Maßnahmen ähnlich effektiv sind – und zusätzlich das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall um bis zu 50 Prozent senken können.“

Moderne Biologika gelten als hochpräzise Werkzeuge der personalisierten Medizin. Das Nebenwirkungsprofil ist deutlich geringer als bei klassischen Glucocorticoiden, die systemisch wirken und zahlreiche Organe belasten. Zugleich verlangt ihre Anwendung klinische Erfahrung und exakte Steuerung. „Diese Medikamente sind wie Hochleistungsboliden. Ihre Stärke zeigt sich nur unter professioneller Kontrolle“, so Lunzer.

Der medizinische Fortschritt in der Rheumatologie sei jedoch keine Einzelleistung, sondern Ergebnis vernetzter Expertise. Besonders in der Kinderrheumatologie erfordere die Diagnostik Feingefühl: Symptome äußern sich anders, Krankheitsverläufe sind variabler. „Algorithmen können Daten analysieren, aber sie können nicht mit einem Kind sprechen, nicht seine nonverbalen Signale deuten, nicht sein Zögern verstehen“, sagt Lunzer. Klar ist: „Künstliche Intelligenz kann Wissen liefern. Aber Medizin entsteht im Dialog,  und Zuhören bleibt unser schärfstes diagnostisches Instrument."

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