Von Herpes bis Krebs: Neue Impfstoffe auf dem Vormarsch
Die COVID-19-Pandemie 2020 hat gezeigt, dass der Kampf gegen Infektionskrankheiten noch lange nicht gewonnen ist. Gleichzeitig hat sie das Interesse an Impfstoffen und Therapien weltweit neu entfacht. „Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, dass wir vorbereitet sein müssen, aber sie hat auch enorme wissenschaftliche Dynamik ausgelöst“, sagt Prof. Dr. Florian Krammer, Professor für Vakzinologie in der Abteilung für Mikrobiologie an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai sowie Direktor des interuniversitären Ignaz Semmelweis Instituts und des Ludwig Boltzmann Instituts für Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge.
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In den vergangenen Jahren wurden große Fortschritte erzielt: So stehen mittlerweile Impfstoffe und Antikörperprophylaxen gegen das für Kinder und Senioren kritische Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) zur Verfügung. Auch gegen das Chikungunyavirus, das zunehmend in Europa auftritt, gibt es neue Impfstoffansätze. Viele weitere Impfstoffe und Therapien befinden sich derzeit in klinischer Entwicklung, darunter gegen Herpesviren wie CMV und das Epstein-Barr-Virus. Krammer: „CMV kann für Neugeborene ein großes Risiko darstellen, das Epstein-Barr-Virus ist unter anderem an der Entstehung von Multipler Sklerose beteiligt. Impfstoffe gegen diese Erreger würden weltweit viel Leid verhindern – auch in Österreich.“
Langzeitschutz bei Influenza
Auch Noroviren rücken zunehmend in den Fokus der Impfstoffentwicklung, im Jahr 2024 wurden laut AGES 3.309 Fälle gemeldet, etwa 1.000 mehr als im Jahr davor. Ihre große Bekanntheit erlangten sie hierzulande vor allem durch Ausbrüche auf Kreuzfahrten. In Ländern des globalen Südens verursachen sie jedoch eine hohe Kindersterblichkeit. Bei Influenza wiederum eröffnen mRNA-basierte Impfstoffe und Antikörperprophylaxen mit Langzeitschutz neue Perspektiven.
Prof. Dr. Florian Krammer, Professor für Vakzinologie an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai sowie Direktor des Ignaz Semmelweis Instituts und des Ludwig Boltzmann Instituts für Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge, Wien.
Nicht nur bei Infektionskrankheiten gibt es Fortschritte. Auch im Bereich therapeutischer Krebsimpfstoffe tut sich viel: Mithilfe personalisierter mRNA-Impfstoffe werden Tumorzellen gezielt vom Immunsystem erkannt und abgetötet. In klinischen Studien zeigen viele dieser Ansätze bereits vielversprechende Ergebnisse.
Grundlage für diese Entwicklungen sind wissenschaftliche Durchbrüche in der mRNA-Technologie und bei monoklonalen Antikörpern – aber auch die klassische Grundlagenforschung hat entscheidend zum Erfolg beigetragen. „Natürlich werden nicht alle neuen Impfstoffe und Therapien den gesamten Entwicklungsprozess erfolgreich durchlaufen. Es ist aber zu erwarten, dass einige davon in den kommenden Jahren Patienten zur Verfügung stehen werden“, so Krammer.
Trotz der Fortschritte gibt es Herausforderungen: In den USA, einer weltweit führenden Region für diese Technologien, haben politische Veränderungen zu drastischen Einsparungen in der Forschungsförderung geführt. Das gefährdet viele Entwicklungen, eröffnet aber auch Chancen für Europa. Krammer: „Es braucht mehr europäische Kollaboration, mehr Innovation, weniger Bürokratie und stärkere Investitionen in die Wissenschaft, damit Europa eine Führungsrolle übernehmen kann.“
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