Erschöpfter Eisbär 700 Kilometer von Lebensraum entfernt gesichtet

Umweltschützer machen den Klimawandel für die ungewöhnlich weite Reise des Nordpolbewohners verantwortlich.

Bewohner einer russischen Ortschaft auf der Halbinsel Kamtschatka in Nordostasien machten kürzlich mit einem Eisbären Bekanntschaft. Das Tier sei auf Futtersuche durch die Region gestreunt, hunderte Kilometer von seinem eigentlichen Lebensraum entfernt. Das berichtet unter anderem der Guardian unter Berufung auf russische Medien.

700 Kilometer gelaufen

Letztere hatten am Mittwoch berichtet, dass es der erschöpft anmutende Bär von Chukotka bis in das rund 700 Kilometer entfernte Tilichiki geschafft habe.

Umweltschützer halten es für denkbar, dass der Bär auf einer Eisscholle treibend seinen Orientierungssinn verloren hat. "Aufgrund des Klimawandels wird die Arktis wärmer, die Umgebung für die Jagd wird kleiner und weniger brauchbar", betonte Vladimir Chuprov von Greenpeace. "Das Eis geht zurück und Eisbären suchen nach neuen Wegen, um zu überleben. Und der einfachste Weg ist, sich zu den Menschen zu bewegen."

Laut Guardian hätten die Einheimischen den Eisbären mit Fisch versorgt. Videos, die online veröffentlicht wurden, zeigen, wie das Tier friedlich an den Bewohnern vorbeigeht.

Die Behörden in Kamtschatka bereiten nun für Ende der Woche eine Rettungsaktion vor. Sie planen, den Bären mit einem Beruhigungsmittel zu betäuben und mit einem Hubschrauber nach Chukotka zu transportieren.

Die Abhängigkeit der Eisbären vom Meereis macht sie zu Leidtragenden der globalen Erwärmung. Die schrumpfende arktische Eisbedeckung könnte sie zunehmend ihrer üblichen Beute, etwa Robben, berauben.

Sterbender Eisbär in Kanada

Erst im Jahr 2017 hatte ein Video eines abgemagerten Eisbären auf der kanadischen Baffin-Insel bei etlichen Menschen in aller Welt Betroffenheit ausgelöst. Das Tier in diesem wirkte schwach, brach mehrfach zusammen und suchte in einer Mülltonne nach Futter. Gefilmt wurde der Bär vom kanadischen Naturfotografen Paul Nicken. Er erklärte auf der Fotobloggingplattform Instagram, dass er mit dem Bildmaterial auf die Folgen der Erderwärmung aufmerksam machen wolle.

Nachdem sich das Video viral verbreitet hatte, wurden Zweifel an der These, das Leid des Eisbären sei eine Folge der Erderwärmung, laut. Eisbärexperte Leo Ikakhik, der unter anderem im Auftrag des World Wildlife Fund Kanada seit 2010 die Bären in und um Arviat (kleine Gemeinde an der Westküste der Hudson Bay, Anm.) beobachtet, ging im Interview mit der Welt damals etwa davon aus, dass nicht der Klimawandel, sondern eine Krankheit oder Verletzung dem Eisbären aus dem Video zugesetzt haben.

Auch Jörns Fickel vom Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin hielt nicht den Klimawandel, sondern dieselben Gründe wie Ikakhik für eine realistischere Theorie. Auch die Folgen eines Kampfes könnten dazu geführt haben, dass die Jagdfähigkeit des Eisbären eingeschränkt wurde und er daher Probleme bei der Futterbeschaffung hatte. Ein Befall mit Darmparasiten sei als Ursache für die Schwäche ebenso denkbar.

Vor kurzem war zudem in Russland der Notstand ausgerufen worden, weil über 50 Eisbären in Siedlungen auf der russischen Doppelinsel Nowaja Semlja im Nordpolarmeer nach Nahrung suchten und die Menschen dort in Angst versetzten.

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