"Emotionale Erfahrungen sind reicher als gedacht"

Frau drückt in Bilderreihe insgesamt mehrere verschiedene menschliche Emotionen aus.
Sechs Grundgefühle hat der Mensch, lautete früher ein Psychologen-Gesetz. Eine Untersuchung gesteht uns sogar 27 Emotionen zu.

Stellen Sie sich vor, Sie beobachten, wie einem Mann eine Spinne in den Mund krabbelt. Oder wie ein Schwein aus einem fahrenden Lastwagen fällt. Oder wie eine Katze einem Hund eine Massage gibt. Absurd und zusammenhanglos? Richtig!

Dennoch waren im Jahr 2017 alle drei Sequenzen zentraler Bestandteil eines psychologischen Experiments: Forscher der Universität Berkeley zeigten insgesamt 853 Teilnehmern 30 Videos. Die Videos waren nicht länger als zehn Sekunden und zeigten unter anderem: 

  • lachende und weinende Kinder,
  • niedliche Katzenbabys,
  • Autounfälle,
  • riskante Stunts,
  • Sex,
  • Stürme.

Ihr einziger Zweck war es, Emotionen hervorzurufen. 

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Und das gelang den Studienautoren so gut, dass sie ein ehernes Psychologen-Gesetz über den Haufen warfen.

Aus 6 Basisemotionen werden 27 Gefühle

Bisher galt: Sechs Grundgefühle empfindet der Mensch. Aus diesen Basisemotionen setzen sich alle übrigen Gefühle zusammen. Diese sechs menschlichen Grundgefühle sind:

  • Angst,
  • Ekel,
  • Glück,
  • Trauer,
  • Überraschung,
  • Wut.

Sie gehen mit bestimmter Mimik und körperlichen Veränderungen einher, die in aller Welt erkannt werden. Als einer der Entdecker der sechs Emotionen gilt der US-Forscher Paul Ekman. Beim Versuch von 2017 aber haben die US-Wissenschaftler das identifiziert, was normale Menschen schon lange fühlen – viel mehr Emotionen, nämlich 27 Stück, um genau zu sein.

"Wir wollten die ganze Palette von Emotionen, die unsere innere Welt färben, beleuchten", sagt Studienautor Alan S. Cowen, Neurowissenschaften aus Berkeley im Journal Proceedings of National Academy of Sciences (PNAS). "Die Antworten spiegelten eine Reihe von emotionalen Zuständen wider, die von Nostalgie bis Ekel reichten", sagt Cowen

Psychologen entdeckten, wie Emotionen zusammenhängen

Die Teilnehmer nannten Gefühlszustände wie Anbetung, Langeweile, Gelassenheit oder Neid. "Wir haben festgestellt, dass 27 unterschiedliche Dimensionen, nicht sechs, notwendig waren, um zu erklären, wie Hunderte von Menschen zuverlässig ihr Gefühl als Reaktion auf jedes Video eingeordnet haben", sagt Mitautor Dacher Keltner, Psychologieprofessor in Berkeley.

Durch die Analyse der vielen Gefühle entdeckten die Psychologen auch, wie die Emotionen zusammenhängen – wie Angst zu Schrecken und zu Ekel wird, wie Ruhe zu ästhetischer Wertschätzung und die wiederum zu Ehrfurcht. 

Forscher schufen einen Atlas der menschlichen Gefühle

Mit statistischen Visualisierungstechniken legten die Forscher einen Atlas menschlicher Emotionen an. Sie ordneten jeder der 27 Emotionsformen eine Farbe zu. Heraus kam eine interaktive Karte mit Clustern. Denn viele Gefühle überschneiden sich, wie etwa Angst, Schrecken und Ekel oder sexuelles Verlangen und Romantik.

Cowens Fazit: "Emotionale Erfahrungen sind so viel reicher und nuancierter als bisher gedacht." 

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Der Neurobiologe hofft, dass die Erkenntnisse aus der Studie zu Emotionen anderen Wissenschaftlern dabei helfen, die psychiatrischen Behandlungsmethoden zu verbessern. Menschen mit Depressionen könnte durch die differenzierte Emotionseinteilung künftig gezielter geholfen werden, wenn die Stimmungsschwankungen über Wut und Angst hinaus eingeordnet würden.

Was sind die 27 menschlichen Emotionen?

Ach ja, wer es genau wissen will: Die 27 menschlichen Emotionen sind: 

  • Angst, 
  • Ekel, 
  • Schrecken, 
  • Besorgnis, 
  • sexuelles Verlangen, 
  • Romantik, 
  • Nostalgie, 
  • Trauer, 
  • Wut, 
  • Schmerz, 
  • Überraschung, 
  • Erleichterung, 
  • Aufregung, 
  • Interesse, 
  • Langeweile, 
  • Verwirrung, 
  • Verzückung, 
  • Gelassenheit, 
  • Verlangen (nach Essen), 
  • ästhetische Wertschätzung, 
  • Bewunderung, 
  • Verehrung, 
  • Freude, 
  • Staunen, 
  • Belustigung, 
  • Zufriedenheit, 
  • Befangenheit.

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