Nobelpreisträgerin erklärt das Geheimnis langer Jugend
Sie sind für unser Auge nicht sichtbar, beeinflussen das Leben aber entscheidend: Telomere, die Enden unserer Chromosomen. Die Molekularbiologin und Nobelpreisträgerin Elizabeth Blackburn vergleicht sie gerne mit den Plastikkappen von Schuhbändern: Je länger die Kappen an den Enden der Schuhbänder sind, desto geringer ist die Gefahr, dass sie ausfransen. Genauso ist es mit den Telomeren: Die Kappen an den Enden der Chromosomen verhindern, dass das Erbmaterial zerfasert.
Nun weiß jeder Turnschuh-Träger, dass Plastikkappen am Schuhband mit der Zeit ausfransen und unbrauchbar werden – Telomere verschleißen ebenfalls im Laufe des Lebens. Wenn sie zu kurz werden, hören Zellen auf, sich zu teilen. Das führt dazu, dass die Zellen "vergreisen" und der Körper anfälliger für altersbedingte Krankheiten wird, sagen Experten wie Blackburn.
Vorbild ist ihre Freundin Marie-Jeanne, eine pensionierte Molekularbiologin. Die Französin erfüllt laut Blackburn die Kriterien für gesundes Altern: Sie interessiert sich nach wie vor für ihre Arbeit, kommt ins Büro, besucht Ausstellungen. Einmal im Monat lädt sie jüngere Kollegen zum Essen und Diskutieren zu sich nach Hause ein – sie wohnt in einer Wohnung im fünften Stock, ohne Aufzug. Das klingt vielleicht banal, doch fragt man Blackburn, ist sie davon überzeugt, dass man das Altern durch einen achtsamen Lebensstil und vor allem ohne teure Präparate steuern kann.
Lebensumstände
Was sich oft nicht so einfach steuern oder beeinflussen lässt, sind die Lebensumstände mancher Menschen. Armut, niedriger Bildungsstand oder Traumata in der Kindheit , wie Vergewaltigung, Missbrauch, häusliche Gewalt oder Mobbing, haben einen großen Einfluss auf Telomere. Ebenso chronischer Stress, berichtet Blackburn und verweist auf eine US-Studie: Mütter, die sich täglich und ohne Unterstützung um kranke Familienangehörige kümmerten, standen unter enormer Belastung – und hatten verkürzte Telomere. Das kann über Generationen weitergegeben werden. Zumindest konnten die Wissenschaftler um Blackburn im Nabelschnurblut von Säuglingen vielfach kürzere Chromosom-Enden nachweisen.
Zellen schonen
Wie man seine Zellen schont und dafür sorgt, dass sie sich nicht zu oft teilen, weiß Elizabeth Blackburn. Es gibt Risiko-Faktoren, die jeder vermeiden kann, etwa Rauchen oder der Konsum bestimmter Lebensmittel. Zum Beispiel Softdrinks: Menschen, die jeden Tag 0,6 Liter zuckerhaltige Limonade trinken, weisen – gemessen an der Telomerlänge – einen zusätzlichen biologischen Alterungseffekt von 4,6 Jahren auf, schreiben Blackburn und Epel.
Die Länge der Telomere steht nur statistisch für eine bestimmte Lebenserwartung, räumt Blackburn ein. Sie ließ die Länge ihrer Chromosom-Enden messen und ist beruhigt. Dennoch wisse sie, dass die Telomer-Länge ihre zukünftige Gesundheit nicht treffsicher vorhersagen kann. Wie Menschen darauf reagieren, wenn sie über ihre Telomere Bescheid wissen, haben Blackburn und Epel an Freiwilligen getestet. Die meisten verhielten sich neutral bis positiv, keiner reagierte sehr negativ auf die Testergebnisse. Aber jene mit kurzen Telomeren plagten infolge belastende Gedanken. "Es ist eine sehr persönliche Entscheidung und nicht zwingend nötig. Denn wer raucht, braucht auch keine Lungenbiopsie, um zu wissen, dass er besser aufhören sollte", sagt die Molekularbiologin.
Die "Jung"-Formel
Also wieder eine Frage des Lebensstils. Dazu gehören nicht nur Ernährung und Sport, sondern auch eine positive Einstellung, ergänzt die Gesundheitspsychologin Elissa Epel: "Sie hat weitaus größere Effekte, als oft angenommen wird." Bestimmte Denkmuster wie zynische Feindseligkeit, Pessimismus oder Verdrängen seien ungesund für Telomere. Das zeigte eine britische Studie an Beamten: Männer mit einem hohen Maß an zynischer Feindseligkeit hatten kürzere Telomere als solche mit niedriger zynischer Feindseligkeit. Die feindseligsten Männer hatten mit einer um 30 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit eine Kombination aus kurzen Telomeren und hohem Telomerase-Spiegel.
Das Wort "Telomerase" wurde lange Zeit mit einem "Jungbrunnen-Effekt" in Verbindung gebracht. Es ist ein Enzym, das Erbmaterial an die Erbgutenden lagert, sodass sich die Zellen immer weiter vermehren können und quasi unsterblich werden. Es kann die Verkürzung von Telomeren also verlangsamen, verhindern oder auch rückgängig machen.
Die Aktivität von Telomerase lasse sich auf viel natürlichere Weise aktivieren, nämlich mit Meditationsformen, Qigong, Tai-Chi oder Yoga. "Eine gute Möglichkeit, um chronischem Stress zu begegnen." Auch gemäßigter Ausdauersport trägt dazu bei, die Telomere gesund zu halten. Die Gesundheitspsychologin Elissa Epel empfiehlt moderaten Ausdauersport dreimal die Woche für jeweils 45 Minuten, sechs Monate lang – das verdoppelt angeblich die Telomerase-Aktivität. Das Gleiche gilt für hochintensives Intervalltraining. Das mag alles etwas banal klingen, aber offensichtlich ist das Geheimnis des gesunden Alterns gar nicht so geheim.
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